Ahnungslos durch die Nacht

In meinem Hotelzimmer stehen zwei Betten. Das links ist ein bisschen weicher als das rechts, dafür ist das rechts etwas härter als das links.

Letzte Nacht lag ich im linken. Auch dieser Tag auf Gran Canaria hatte mich über meine (sehr weit gesteckten) psychischen und physischen Grenzen hinaus ins Land der totalen Erschöpfung geführt, aber sosehr ich es mir auch wünschte: einschlafen konnte ich nicht.

Im Pool-Areal unter meinem Zimmer wurde für die Gäste nämlich, wie jeden Sonntag, die „Noche español“ abgewickelt. Man kann sich das vorstellen wie Schweizer Folkloreabende für Touristen aus Fernost: Hier wie dort gewähren die Veranstalter ihrer Kundschaft mit ans Pingelige grenzender Authentizität umfassende Einblicke in das kulturelle Werden, Wirken und Wesen der Eingeborenen.

Zum Einstieg liess ein DJ die Greatest Hits des sicher nicht ganz zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenen Rondo Veneziano durch die Anlage dröhnen

dann tanzten ein Mann in Schwarz und eine Frau in Pink einen Flamenco, der beinahe so viel Erotik ausstrahlte wie ein Steinbruch im Regen. Ein bulimisch wirkender Jüngling steppte die eigens dafür aufgebaute Bühne in Grund und Boden, und zuunguter Letzt vertrieb ein agiler Senior mit seinem Kastagnettengeklapper auch noch die schwerhörigsten Vögel aus den Palmenkronen.

Nachdem sich das totaleuphorisierte Publikum um kurz vor der Geisterstunde vom Schauplatz verzogen hatte, nahm ich einen zweiten Schlafanlauf. Minuten später zerriss überlautes Jammern und Kreischen die Stille: Kanarische Katzen scheinen den Frühling nie intensiver zu spüren als Anfang November.

An Schlaf war jetzt definitiv nicht mehr zu denken. Ich braute mir einen Kaffee. Weil ich sowieso nichts Gescheiteres (oder Dümmeres) zu tun hatte, beschloss ich, mein Zimmer einmal a Fong zu inspizieren.

Ganz besonders interessierten mich die Lichtschalter. Mit den Lichtschaltern in Hotels ist es immer so eine Sache: Erst findet man sie nicht, und wenn man sie endlich entdeckt hat, weiss man nicht, welchen man betätigen muss, um eine bestimmte Lampe anzuknipsen.

Wenn man auf den Schalter beim Bad drückt, geht das Licht über dem Bett an. Wenn man den Schalter bei der Eingangstüre aktiviert, wirds auf dem Balkon taghell. Und wenn man endlich kapiert hat, wie das alles miteinander zusammenhängt (oder eben nicht), bleiben einem in der Regel noch 8 Minuten bis zum Auschecken.

Nach den umfangreichen Tests, die ich letzte Nacht durchführte, ist mir – zumindest, was dieses eine Hotelzimmer betrifft – aber einiges klarer. Zum Beispiel weiss ich jetzt, dass ich den linken Schalter drücken muss, wenn ich Licht auf dem rechten Bett brauche, und den rechten, wenn ich auf dem linken Nest lesen möchte:

Wieso das so ist? Keine Ahnung.

Genauso schleierhaft ist mir, weshalb das Wasser immer mit gefühlten 72 Grad aus dem Duschkopf rauscht, unabhängig davon, in welche Richtung ich den Hebel drehe, und warum Hotelsteckdosen grundsätzlich in genau jenen Ecken angebracht sind, die am weitesten weg vom Schreibtisch liegen.

Natürlich hätte ich zur Klärung dieser Fragen einfach den Mann an der Rezession anrufen können. Aber er, dachte ich, war bestimmt gerade in eine Online-Patience vertieft oder schlief selig, und weder beim einen noch beim anderen mochte ich ihn stören.

So grümschelte ich weiter in meinem Zimmer herum. Ich wunderte mich über dieses (wozu braucht es eigentlich noch Telefonapparate?) und staunte über jenes (im Fernseher sind ausschliesslich deutsche Sender programmiert), und als es zu tagen begann, war ich vom vielen Nachdenken dermassen kaputt, dass ich gar

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