Aller Anfang ist ein Couvert, vielleicht

„Fast ein Gutschein“, steht auf dem Couvert, das der junge Mann um 6.45 einer der drei Kassierinnen im Laden beim Solothurner Bahnhof schüchtern aushändigt.

Hinter ihm stehen vier Kunden. Er hat keine Zeit für Erklärungen, sie kann oder will nicht fragen, was das bedeute. Sie nimmt das Couvert lächelnd entgegen und legt es neben die Kasse. Man kann durch seine dicke Jacke beobachten, wie sich seine Muskeln im Bruchteil der Sekunde, den sie benötigt, um den Umschlag an sich zu nehmen, entspannt.

Während man darauf wartet, bedient zu werden, überlegt man sich, was wohl in dem Umschlag sein könnte. Und, vor allem: Ob die Verkäuferin und der Kunde einander bereits kennen. Oder ob der Mann die Frau, für die er bisher bloss einer von unzähligen Kunden war, schon x mal an ihrer Kasse hat stehen sehen, sie immer sympathischer fand und nun all seinen Mut zusammennahm, um endlich einen ersten Schritt auf sie zuzumachen. Ob er, wer weiss, gar nichts von der Verkäuferin will, sondern von ihrer Schwester, deren Adresse er nicht kennt.

Vielleicht – irgendwie hofft man das schwer –  sitzen die beiden in, sagen wir: zehn Jahren nebeneinander auf dem Sofa. Während sie ihren zwei Kindern beim Spielen zuschaut, sagt er: „Weisst du noch, damals, mit dem Couvert?“. Sie kuschelt sich an ihn, guckt ihm liebevoll in die Augen und antwortet: „Wenn du das nicht gemacht hättest, wären wir jetzt nicht hier.“

jho

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