Als ob nichts gewesen wäre

Acht Stunden sind es nun her, seit ein Mann aus dem Mandalay Bay Hotel in Las Vegas auf eine Menschenmenge geschossen hat. Mindestens 50 Personen sind tot. Hunderte wurden verletzt.

Mein Schatz und ich bekamen von diesem Angriff nichts mit. Während des Massakers lagen wir schlafend in unserem Hotel.

Nachdem wir – geweckt durch besorgte Anfragen von Freundinnen und Freunden aus der Schweiz – realisiert hatten, was an der Casino-Meile passiert war, dachten wir an den Abend zurück, den wir zuvor in Las Vegas verbracht hatten: Um 21.20 Uhr verabschiedeten wir uns von einer Verwandten, die seit vielen Jahren in dieser aus der Wüste gestampften Geld- und Glitzermetropole lebt. Dann fuhren wir mit unserem Mietwagen in die Innenstadt.

Als wir um kurz vor 22 Uhr über den weltberühmten Strip cruisten, hätte es uns durchaus gereizt, irgendwo zu parkieren und nochli an an den weltberühmten Casinos und Hotels vorbeizubummeln.

Andrerseits: Vom vielen Reisen, Reden und Essen waren wir schon ziemlich ermattet. Deshalb beschlossen wir, schlafen zu gehen. All die Attraktionen würden wir auch morgen noch bestaunen können.

Also fuhren wir weiter; auch am Mandalay Bay Hotel vorbei, vor dem, wie wir aus dem Autofenster mitbekamen, ein Konzert im Gange war. Minuten später krachten dort die ersten Schüsse.

In unserem Hotel, in dem wir bis zur unserem Heimflug am Donnerstag wohnen, ist von der Tragödie wenig bis nichts zu spüren.

Während sie zwei Kaffees zubereitet, erzählt eine Barfrau, sie habe vorhin eine Überlebende des Attentats gesehen. Sie habe „traumatisiert“ gewirkt.

Vor dem Eingang nimmt ein Angestellter mit einem festgebostichten Lächeln neue Gäste in Empfang. Sie grinsen erwartungsfroh. Weder er noch seine Kundschaft verlieren über die Bluttat auch nur ein Wort.

Drinnen (siehe Bild) sind um 6 Uhr am Morgen schon mehrere Pokertische besetzt. Vor unzähligen Geldautomaten sitzen Dutzende von Spielerinnen und Spieler. Wie in Trance schieben sie bleichgesichtig eine Dollarnote nach der anderen in die Automaten. Ständig klingelts irgendwo, oder pfeifts oder schepperts. Versteckte Lautsprecher berieseln den Saal mit Gutelaunemusik.

Auf den Bildschirmen über ihren Köpfen sind immer wieder „Breaking News“ über den Massenmord in der Innenstadt zu sehen, doch kein Mensch schaut zu den Fernsehern hoch.

„This could be heaven. Or this could be hell“: Das schrieb ich gestern in diesem Blog über Las Vegas. Als ich die neun Worte tippte, ahnte ich nicht, wie präzise sie die Wirklichkeit tags darauf beschreiben würden.

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