Aus dem Leben eines Playaboys (II)

Wieviele Gletscher lassen wir noch dahinschmelzen, bis diese Riesenbananen, die immer so lustig kippen, nur noch mit Ruderbooten übers Meer gezogen werden dürfen?

Und, wenn wir schon bei der Umweltverschmutzung sind: Wieso läuft eigentlich in jeder – jeder! – Strandbar Musik von George Michael („Careless whisper„), Phil Collins („One more night„) und James Blunt („You’re beautiful„)?

Warum kanns nicht einmal etwas anderes sein, zum Beispiel so öppis:

?

Sind diese drei Songs amänd der kleinste gemeinsame musikalische Nenner aller Menschen?

Wenn ja:

„Stop all the clocks, cut off the telephone,
Prevent the dog from barking with a juicy bone,
Silence the pianos and with muffled drum
Bring out the coffin, let the mourners come.

Let aeroplanes circle moaning overhead
Scribbling on the sky the message He Is Dead,
Put crepe bows round the white necks of the public doves,
Let the traffic policemen wear black cotton gloves.

He was my North, my South, my East and West,
My working week and my Sunday rest,
My noon, my midnight, my talk, my song;
I thought that love would last for ever: I was wrong.

The stars are not wanted now: put out every one;
Pack up the moon and dismantle the sun;
Pour away the ocean and sweep up the wood.
For nothing now can ever come to any good.“

(„Funeral Blues“, W.H. Auden).

Falls dieses Gedicht jemandem bekannt vorkommen sollte: Es spielte eine ebenso grosse wie bewegende Rolle im Film „Four weddings and a funeral“:

Gestorben – ich kann mich nicht entsinnen, je eine geistreichere Überleitung von einem Thema zum nächsten geschafft zu haben – wäre auch ich fast heute.

Der Grund: Ich war stundenlang bei weit über 30 Grad im nicht vorhandenen Schatten und Windstärke 0 auf Recherche in den Dünen von Maspalomas.

Oder, wie die Habitués zu sagen pflegen: In „Las Dunas“.

Was wird über diese Dünen nicht alles erzählt! Was wurde über Las Dunas nicht schon alles geschrieben!!

In einschlägigen Kreisen gelten sie als gigantischer Openair-Sexspielplatz. Dem Vernehmen nach geht es dort rund um die Uhr wilder und ungezügelter zu und her als im alten Rom, nur mit viel mehr Germanen als Römern.

Hinter jedem zweiten Busch, wird gemunkelt, frönen Menschen Tàtigkeiten, die der Fortpflanzung dienen oder auch nur so Spass machen. In den nicht sexuell genutzten Sträuchern lauern scheints mit grosskalibrigen Kameras ausgerüstete Menschen vorwiegend männlichen Geschlechts, die das Treiben in den Büschen sabbernd dokumentieren.

Gemessen daran, dass ich mich für meine Mission in nächster Nähe eines freikörperkulturell schwer kontaminierten Gebietes bewegen musste, fühlte ich mich in meinen Stoffturnschuhen, der Badehose und dem ärmellosen Shirt leicht overdressed. Von meiner Wanderung durchs sandige Wellental hielten mich derlei Petitessen jedoch nicht ab; ganz im Gegenteil. Wäre ich baren Fusses und Füdlis ausgerückt, wäre das Unternehmen nach den ersten paar hundert Metern wegen akuter Verbrennungen gescheitert.

So aber wandelte ich beschwingten Schrittes und offener Sinne Högerli uf und Högerli ab und Högerli uf und Högerli ab und – irgendwann nicht mehr soooo beschwingt – weiter Högerli uf und Högerli ab und Högerli uf und Högerli ab.

Wenn ich nicht längst wüsste, was es bedeutet, einen Schritt vorwärts und zwei Schritte rückwärts zu machen: Jetzt wärs mir klar. Sonnenklar sogar.

Zwei Stunden vergingen, ohne dass ich auch nur fatamorganisch etwas hätte erkennen können, was entfernt an Sodom & Gomorrah erinnert hätte.

Was ich sah, waren:

– Steine,

– Büsche,

– eine vierköpfige Familie,

– zwei junge Männer, die einander einen Frisbee zuwarfen,

– einen halbverdorrten, aber noch lebenden Hund,

– leere Bierdosen,

– Holzstücke,

– Sandkörner bis an den Atlantik abe, natürlich, und

– einen drahtigen Senior, der sich, auf einer Krete im Gegenlicht stehend, von seiner Frau fotografieren liess.

Während ich weiterging, stellte ich mir vor, wie das sein würde, bei Schmitts daheim, wenn Helga ihre Ferienfotos jedem zeigt, der sie sehen will (und vor allem all jenen, die nicht rechtzeitig vor ihr und ihrer „Gran Canaria 2012“-CD flüchten konnten):

„Und dann“, wird Helga Schmitt sagen, „dann samma in de Wüschde glauffe. Da Kalle isch aufn höchschten Hügel kleddat, mit seinem Heaz. Isch sach euch…“.

Dauerhausgast Günther, der die Fotos schon zwei-, dreimal gesehen hat und inzwischen beim besten Willen nicht mehr imstande ist, für Kalles Abenteuer das von Helge gewünschte Interesse zu heucheln, wird genauso laut, dass mans hören kann, murmeln: „Wüschde. Aba sicha. Dess sieht ma nur schon an dea Tafel im Hindagrund, auf dea wo eina Weabung füas Baragleide macht.“

Für Helga ist der Abend damit gelaufen. Aber morgen kommen ja Hagens vorbei.

Ewigkeiten später…

…aber ich mag jetzt nicht die ganze Wanderung noch einmal machen, und wenns nur im Kopf ist.

Um die Sache abzukürzen: So nah ich auch an die legendären Sträucher ging,

ich sah nichts, was ich zu sehen erhofft erwartet befürchtet hatte.

Dafür herrschte diese Nacht im Hotelzimmer über mir ziemlich Betrieb. Aber mir wars egal. Ich hätte auch nicht hingesehen, wenn die beiden ihrer Arbeit auf dem freien Bett neben meinem nachgegangen wären. Ich entschuldigte mich noch einmal stumm bei meinen geschwollenen Fussgelenken und schlief wieder ein.

Um punkt 4 Uhr war er dann wieder da, der künstliche Regen vor dem Balkon. Falls in meinen Träumen Sand eine Rolle gespielt haben sollte: Jetzt wäre er weggewaschen.

(Morgen live von der Insel: „Das Vollbeschäftigunsprinzip der kanarischen Kellner, ein frustrierter Lebensabschnittspartner und neue Perspektiven für Galerien“)

Bereits erschienen:

„Ohrfeigen im Dutyfree-Shop, künstlicher Regen und Flugzeuge mit Untergewicht“

1 Kommentar

  1. wunderbar diese geschichten – danke an dein bruderherz für den link – habe schon lange nicht mehr so gelacht und werde sicherlich zum dauergast werden (vielleicht nicht bei den füssen…)

    gruess us böju

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