Aus den Augen, aus dem Trübsinn

In meinem Zimmer liegt ein Magazin, das die Greatest Hits von Gran Canaria in Wort und Bild präsentiert. Ich blättere gerne darin: Eine Zeitung lesen zu können ohne Gefahr zu laufen, über Beiträge zu den Themen „Corona“ oder „Ukraine“ zu stolpern, tut gut.

Natürlich ist das eine Realitätsflucht in den Bunker des Selbstbetrugs. Das Virus zirkuliert unabhängig davon, ob ich das Heft studiere, und höchstwahrscheinlich stoppt Wladimir Putin seine Kampfhandlungen nicht in dem Moment, in dem er von seinen Geheimdienstlern erfährt, dass ich nicht rund um die Uhr mitverfolge, was darüber geschrieben und gesendet wird.

Aber: beim Abstandhalten hilft es enorm.

Die radikale Einschränkung des Medienkonsums hat sich für mich in den letzten Tagen als wirkungsvolles Mittel gegen den Dauertrübsinn erwiesen. Am Morgen schaue ich in zwei, drei Onlinemedien meines Vertrauens nach, was in der Nacht gelaufen ist.

12 Stunden später informiere ich mich mit dem ARD-„Brennpunkt“ über die Ereignisse des Tages. Die Zeit dazwischen nutze ich, um zu tun, was ich schon vor Putins Angriff getan habe und auch nach dem Krieg zu tun gedenke: (m)ein ganz normales Leben zu führen.

Das schliesst eine Beschäftigung mit der Frage, ob die Migros und Coop Waren russischer Provenienz aus dem Sortiment nehmen müssen, ebenso aus wie ein Nachdenken darüber, ob Gerhard Schröder Ehrenbürger von Hannover bleiben soll.

Das klingt ist sehr egoistisch, klar. Aber ein wenig Selbstschutz vor den ununterbrochen darniederprasselnden Negativnachrichten muss sein. Sonst rastet der Frust über das seit mindestens zwei Jahren gründlich Schieflaufen der Dinge plötzlich dauerhaft ein.

Abgesehen davon: Wenn die Menschen vor lauter Schreckensmeldungen aus der Ukraine reihenweise physisch schlappmachen, hat niemand etwas davon – ausser jenem Zeitgenossen natürlich, welcher sie ausgelöst hat.

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Lesetipp: „Gegen die Angst“ – ein Kommentar in der „Süddeutschen“ vom 3. März 2022. Er richtet sich eigentlich an die Menschen in Deutschland, tatsächlich aber an alle.

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