Couple Dänemark (X)

1947 erhielt eine Mutter in Wichita im US-Bundesstaat Kansas eine Nachricht. Darin stand, dass ihr Sohn mit schweren Verletzungen in einem Spital in Germany liege. Bei dem jungen Mann handelte es sich um Chantals Grossvater. Er war als Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte dabei, als die Alliierten Deutschland besetzten befreiten, und ab 1945 in Wiesbaden stationiert. Für seine Einsätze – die in der Normandie begannen – wurde er mit mehreren „Bronze Star“-Medaillen ausgezeichnet.

Wobei er sich die tödlichen „multiple fractures“, von denen die Armeeführung seiner Mutter berichtet hatte, zugezogen hatte, ist bis heute unklar. Was seine Aufgabe in Deutschland war, wissen seine Nachkommen bis heute nicht.

Bei einem Bummel durch Wiesbaden stellten wir gestern fest, dass Chantals Opa seine letzten Jahre an einem sehr schönen Ort verbringen durfte. Im Gegensatz zum benachbarten Mainz wurde Wiesbaden 1945 nicht komplett in Grund und Boden gebombt. An unzähligen uralten Gebäuden und topmodernen Komplexen vorbei schlenderten wir in der sehr aufgeräumt und lebhaft wirkenden Stadt, in der „Multikulti“ zwanglos gelebt statt zähneknirschend geduldet zu werden scheint, von Laden zu Laden und von Beizli zu Beizli. Irgendwann beschlossen wir, von der Schweiz aus zumindest zu versuchen, des Grossvaters Spuren zu finden.

Neben unserem Camper steht ein Wohnwagen. Die Satellitenschüssel auf seinem Dach ist ebenso ausgefahren wir die Sonnenstore. An einer Leine hängen zwei Tücher, vor der Türe stehen volle Bierharassen. Obwohl wir uns schon vorgestern Abend auf diesem Platz in Ginsheim-Gustavsburg eingenistet haben, bekamen wir die Bewohner des Wagens (Rentner auf Reisen? Verbrecher auf der Flucht? Spione im Standby-Modus?) noch nie zu Gesicht. Das Ganze wirkt ein bisschen geheimnisvoll – um nicht zu sagen: unheimlich – , aber wahrscheinlich werden wir nie erfahren, neben wem wir die vergangenen Tage verbracht haben: In wenigen Stunden fahren wir los in Richtung Heimat.

Während um mich herum die Natur erwacht, versuche ich, zu rekapitulieren, welche Orte wir auf unserem zweiwöchigen Trip in welcher Reihenfolge besucht hatten, wie es dort aussah und was uns am meisten beeindruckte. Mich im Detail an alles zu erinnern, fällt mir nicht leicht. Wir sahen so Manches und sammelten so viele Eindrücke, dass sich im Moment alles zu einem grossen – und wunderschönen – Ganzen vermengt.

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