Den bunten Pfiili nach

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Das Wichtigste in einem Spital sind nicht die Doktoren und nicht die Operationssäle und auch nicht die vielen teuren Geräte. Das Wichtigste sind die kleinen, farbigen Wegweiser oder, wie die netten Damen am Empfang des Regionalspitals in Burgdorf immer sagen, „die Pfiili am Boden“.

Ohne diese Pfiili käme der komplette Klinikbetrieb innert Minuten zum Erliegen.

Heerscharen von Patienten, Pflegerinnen und Ärzten würden tagein und -aus hilflos in den endlosen Fluren umherirren auf der Suche nach der für sie passenden von grob geschätzt 1’472 Abteilungen. Leute, die sich am frühen Morgen nur das verstauchte Handgelenk verbinden lassen wollten, stünden kurz nach dem Einnachten mitten im Gebärsaal. Dafür würden sich Hochschwangere unversehens in der Leichenhalle widerfinden und Durchfallgeschädigte in der Kantine.

Man kann sich das ungefähr so vorstellen (oder auch nicht. Irgendwie passt der Film, den ich mühselig aus dem Internet gefischt habe, jetzt doch nur bedingt zu dem, was ich eigentlich sagen wollte, aber ziemlich eindrücklich ist er so oder so):

Abgesehen davon sorgen diese Markierungen auch für einen selbstbewussteren Auftritt der oft etwas hilflos und bekümmert wirkenden Besucherinnen und Besucher. Denn wer, wie ich in diesen Wochen, regelmässig im Spital vorbeischaut, braucht irgendwann nicht mehr nach dem Weg zu fragen. Stattdessen schlendert er, nachdem er einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Lebenszeit in der Drehtüre beim Eingang verbracht hat, zu seinem Bestimmungungsort, als ob er seit Ewigkeiten zur Belegschaft gehören würde.

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Ich habe mir schon überlegt, bei einer meiner nächsten Visiten in einem weissen Kittel aufzukreuzen. Im besten Fall würde ich zäntume respektvoll mit „Herr Doktor“ angesprochen und von gerade Feierabend machenden Schwestern nach meinen Plänen fürs Wochenende gefragt.

Im dümmsten Fall stünde ich nach wenigen Minuten an einem OP-Tisch mit einem kurz vor dem Platzen stehenden Blinddarm drauf, oder vor sonst einem Problem, das sich einem Journalisten nicht jeden Tag stellt:

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Falls ich der Planer wäre, der das Burgdorfer Spital für 70 100 145 Millionen Franken umbauen darf, würde ich dafür sorgen, dass möglichst alles so bleibt, wie es ist.

Tabu wären nicht nur die gäbigen Pfiili, sondern auch all die Schilder mit wertvollen Verhaltenshinweisen. In „meinem“ Spital hängen alle paar Meter Tafeln mit Erläuterungen fürs korrekte Händewaschen, fürs diskrete Anstehen am Sekretariatsschalter, für den richtigen Umgang mit schmutziger Wäsche und last, but noch lange nicht least, auch eine schriftlich fixierte „Richtlinie Mittelstrahlurin“:

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(Wenn das Bild chli verwackelt ist, liegt das daran, dass ich im Moment des Abdrückens selber mit meinem Mittelstrahl…aber egal).

Auf gar keinen Fall etwas geändert werden dürfte am Umgangston im Spital. Wer auch immer an einem vorbeihastet: Ein freundliches „Grüessech!“ fehlt nie. Wahrscheinlich wird das Grüssen jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin am ersten Arbeitstag zusammen mit allerlei anderen Antiviren eingeimpft; es gibt im Spital Menschen, die einen grüssen, wenn sie ein Wägeli voller Bettlaken von links nach rechts an einem vorbeischieben – und die einem zwei Minuten später, wenn sie das leere Wägeli von rechts nach links zurückstossen, gleich noch einmal ein „Grüessech!“ zurufen.

Ich weiss auch nicht, woher diese Dauergrüsserei kommt. Vielleicht hat sie damit zu tun, dass Leute, die in einem Spital arbeiten, sich sehr oft von Menschen verabschieden müssen im Wissen darum, dass sie sie bald nie mehr grüssen können.

Manche dieser Menschen werden gesund entlassen. Und andere an einen Ort gebracht, an den beim Empfang meines Wissens kein buntes Pfiili hinweist.

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