Der alte Mann am Ende der Zeit

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(Bild: Markus Wehner, Biglen)

„BäseToggeliTod – oder die wo im Gletscher singe“: Der Schauspieler Peter Leu erzählt in seiner kulturfabrikbigla die Geschichte(n) des Dieners Robert, der ein halbes Jahrhundert lang in einem noblen Hotel gearbeitet hat.

Am Ende steht der alte Mann neben einem Besenwesen. Es sieht ein bisschen aus wie ein Mensch. Der Senior hat die gespenstisch anmutende Figur in den letzten 75 Minuten nach und nach geschaffen.

Den „Kopf“ des Bäsetoggelis bedeckt ein Tuch; in seinem „Gesicht“ steckt ein Rüebli aus Kunststoff und ein Gebiss. Es trägt einen ausgeleierten BH – und in der rechten „Hand“ jene Sense, die in den letzten 75 Minuten immer eindringlicher an die Türe der Kammer gepocht hat, in der der Mann mit einem Koffer voller Erinnerungen, einem antiken Radio und einem zehnjährigen Kalender an der Wand haust.

Als es dann dunkel wird in der kulturfabrikbigla in Biglen, wissen die Zuschauer: Jetzt ist es für Robert endgültig vorbei mit dem Kofferschleppen für die Ladies, Gentlemen „und manchmal auch Könige“, die in diesem Luxushotel beim Rhônegletscher ein- und ausgegangen waren. Nie mehr muss Robert die sonore Stimme des Hoteldirektors hören, der lispelnd die strengen Hausregeln verliest.

Erloschen sind die bittersüssen Gedanken an die junge Frau, die ihm in jungen Jahren gezeigt hat, was ein „kleiner Tod“ ist. Und die sein Herz brach, kaum, dass es richtig aufgegangen war.

Betreten sitzen die Gäste am Schluss in der Finsternis vor der Bühne. Es dauert ein Weilchen, bis die Beklemmung der Freude darüber weicht, soeben Zeuge einer grossartigen Aufführung gewesen sein zu dürfen.

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Ein Jahr ist es her, seit der Schauspieler, Regisseur und Kulturveranstalter Peter Leu, der Betreiber der kulturfabrikbigla, seinem ebenso gschaffigen wie schlitzohrigen Hilfsbüezer und Tookmaschter Aschi Rüegsegger eine „Stärnstund“ gegönnt hat.

Mit dem von Markus Michel verfassten „BäseToggeliTod – oder die wo im Gletscher singe“ (Musik: Barbara Jost; Regie: Pierre Kocher; Bilder auf der Bühne: Hannes Zaugg-Graf) setzt Leu den Zuschauerinnen und Zuschauern ungleich schwerere Kost vor. Zu Schmunzeln und Lachen gibt es diesmal nur Weniges, auch wenn Robert die tragischen Spitzen oft mit seiner feinen Ironie bricht. Dafür gibt es eine Menge zum Nachdenken. Und zum Fürchten, weil Robert mehr oder weniger ausgeprägt in jedem Menschen steckt.

Alt zu werden, lehrt uns der gebrechliche Hausbursche, ist auch dann kein Vergnügen, wenn man einen grossen Teil seines Lebens in vermeintlich bester Gesellschaft verbracht hat.

Während Robert – sich quälend oft wiederholend, immer wieder tief in die Vergangenheit abtauchend und den Faden verlierend – vor sich hinsinniert, beleuchtet er einerseits die Geschichte der Seiler-Dynastie, die das wirtschaftliche und politische Leben im Wallis einst mitgeprägt hatte. Gleichzeitig drehen sich seine Reminiszenzen um das grösste Familiengrundstück der Schweiz, den Rhônegletscher, und die ganze touristische Infrastruktur, die um ihn herum enstanden ist.

Den an der Türe wartenden Tod ignoriert er, so lange es geht. Und „lange“ ist für ihn, in der Einsamkeit seines Zimmers, zu einem relativen Begriff geworden. Die Zeit, sagt er, spiele für ihn keine Rolle mehr.

Irgendwann läuft sie aber auch für ihn ab. Als ob es sich um den Koffer eines Hotelgastes handeln würde, trägt Robert die Sense zu sich ins Zimmer. Er poliert das Symbol des Todes beinahe zärtlich – wie sich das für einen tüchtigen Diener gehört.

(In einem Interview mit der Berner Kulturagenda spricht Peter Leu über das Stück und die Herausforderungen, die es an ihn als Schauspieler stellt).

Weitere Aufführungen:

– Sonntag, 27. Januar, 17 Uhr,
– Mittwoch, 30. Januar, 20.15 Uhr,
– Donnerstag, 31. Januar, 20.15 Uhr,
– Samstag, 2. Februar, 20.15 Uhr
– Sonntag, 3. Februar, 17 Uhr,
– Mittwoch, 6. Februar, 20.15 Uhr,
– Donnerstag, 7. Februar, 20.15 Uhr und
– Samstag, 9. Februar, 20.15 Uhr

Vorverkauf: www.ticketeria.org (oder unter Telefon 0900 10 11 12, Fr. 1.19/Min.)

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