Einer der Menschen hinter dem Zauber

Als Kind hörte ich die Lieder von Peter, Sue & Marc manchmal ab einer Langspielplatte meiner Eltern (für die Jüngeren unter uns: Langspielplatten waren runde, schwarze Scheiben mit einem Loch in der Mitte. Wenn man eine Nadel darauf legte und die Scheibe mit ziemlich genau 33 Umdrehungen pro Minute rotierte, erklang Musik). Sie steckte, wenn ich mich richtig erinnere, in einer hellblauen Hülle.

Am 31. Dezember 1981 lösten sich „die Schweizer Abba“, wie das Trio auch genannt wurde, auf. Toto hatten damals gerade „Turn back“ veröffentlicht und waren dabei, mit „IV“ ein Jahrhundertwerk aufzunehmen. Ich, 26, interessierte mich mehr für rockige Klänge amerikanischer Prägung als für „PSM“.

Trotzdem: Ich weiss noch, dass ich es sehr, sehr schade fand, dass das Trio auf dem Höhepunkt seines Schaffens Schluss machte. „Cindy“, „Like a seagull“, „Memory Melody“, oder – nein: vor allem – „Io senza te“ und „Ciao amico“ waren Songs, die, ohne dass ich das realisierte, fast ununterbrochen mein Leben untermalt hatten. Viermal nahmen Peter, Sue & Marc am „Grand Prix Eurovision de la chanson“ teil. Sie blamierten sich kein einziges Mal. Heute genügt ein Auftritt an dieser Veranstaltung, um eine Karriere zu verhindern. Oder zu ruinieren.

Knapp 30 Jahre später geriet ich beim Zappen versehentlich in eine an Grauenhaftigkeit kaum zu überbietende Sendung namens „Die 50 grössten Schweizer Hits“. Sekunden, bevor ich den Kanal wechseln wollte, wurden…: Peter, Sue & Marc angekündigt. Aus Gwunder blieb ich hängen. Und siehe höre da: Da waren sie wieder, Sue Schells Glocken- und Marc Dietrichs Reibeisenstimme und Peter Rebers Piano- und Gitarrenklänge. Ich war hin und weg.

Es kamen, sangen und versiegten in den folgenden Jahren Music- und „Superstars“ sonder Zahl. Magisches war selten darunter. Stattdessen: Hits vom Fliessband, Hypes auf Bestellung und Dieter Bohlen als musikalisches Vorbild von Zigzehntausend jungen Leuten.

Was ein echtes Vorbild ist, erlebte ich – Job sei Dank – heute Nachmittag. An der BEA gibt es diese Woche jeden Tag ein Stammtischgespräch mit einer Berner Persönlichkeit. Heute war Marc Dietrich bei uns zu Gast.

Unkompliziert, fern von jedem Stardünkel und bestens aufgelegt, sass er da und plauderte über alte Zeiten, Höhenflüge, Abstürze und Projekte. Allpott winkte ihm jemand aus dem Publikum zu. Jedesmal winkte Dietrich zurück. Die Stimmung war sehr gelöst, was nicht nur, aber auch daran gelegen haben mochte, dass er – als Betreiber des „Fasnachtsbeizlis“ – die Tranksame gleich selber mitgebracht hatte.

Kurz vor Schluss der Veranstaltung näherte sich eine betagte Frau. Vom Alter gekrümmt, sagte sie zu unserem Gast, sie sei 90jährig und habe wahnsinnig Freude, „diesen Marc“ einmal richtig und lebendig vor sich zu sehen. „Eure Musik war so wunderschön, dass ich heute noch davon träume“, liess sie „Cuco“ wissen, worauf dessen Augen, die eben noch so fröhlich gestrahlt hatten, einen feuchten Glanz annahmen. Liebevoll schrieb der Künstler der Besucherin ein Autogramm mit Widmung auf ihre mitgebrachte Zeitung.

Ich habe in der ganzen Zeit, in der ich nun an der BEA „arbeite“, keinen glücklicheren Menschen gesehen als diese „Alice aus Rohrbach“

Während sich die Stammtischrunde wieder anderen Themen zuwandte, dachte ich: Genau deshalb wurden Peter, Sue & Marc von allen geliebt: Weil sie – allen Erfolgen zum Trotz – so normal geblieben sind.

Weil ihre zauberhaften Melodien und Harmonien nie die Menschen abheben liessen, die sie spielten und sangen. Sondern „nur“ all die Leute, die sie hörten.

Danke, Ihr Drei.

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