Der Stehaufmann

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Ein Konzert von Hanery Amman mitzuerleben: Das ist, wie mit seinen besten Freunden Geburtstag zu feiern und alle fünf Minuten ein noch tolleres Geschenk auspacken zu dürfen. Oder, wie in einer Zeitmaschine zu sitzen und durch vergangene Jahrzehnte zu reisen.

„Teddybär“, „D Rosmarie und i“, „Musig wo’s bringt“, „Rote Wy“… der Mann mit den chli schütteren grauen Haaren, der am 27. Brienzersee Rockfestival auf die Bühne schlendert, als ob er zur Helferequipe gehören würde, hat die Mundartmusik geprägt wie kein anderer vor und nach ihm.

Teenager kennen seine Songs ebenso auswendig wie deren Eltern und Grosseltern. Was Hanery Amman geschaffen hat, gehört zum helvetischen Volksgut und wird in Schulen gesungen und in Pfadilagern und an Hochzeiten und Abdankungen landauf und -ab. In seinem Heimatort Interlaken wurde ein Platz nach ihm (und Polo Hofer) benannt; die aus seiner Feder erblühten „Alperose“ wurden von den Zuschauerinnen und Zuschauern des Schweizer Fernsehens zum „grössten Schweizer Hit aller Zeiten“ gewählt.

Hanery Amman ist – so abgedroschen der Begriff inzwischen sein mag – eine Legende, schon zu Lebzeiten, und bräuchte längst niemandem mehr etwas zu beweisen, ausser vielleicht sich selber. Aber auch das ist nicht sicher: Viel Aufhebens um sich und sein Schaffen zu machen, ist Hanery Ammans Sache nicht.

Dafür gibt es nur wenige kunstschaffende Zeitgenossen, um die sich soviele Mythen ranken wie um den „Chopin des Oberlandes“ (wie Hofer seinen alten „Rumpelstilz“-Kumpel“ einst genannt hat). Leute, die ihn näher (zu) kennen (glauben), sagen, er sei launisch, mürrisch, unzugänglich, eigenbrötlerisch und stur bis zur Verbissenheit. Er schlafe wegen seines Tinnitus so gut wie nie, komponiere grundsätzlich nackt und horte im Keller seines Daheims unzählige Songs, für die etliche seiner Berufskollegen töten würden, denke aber aus unerfindlichen Gründen nicht im Traum daran, damit ins Studio zu gehen, um sie für die Nachwelt zu konservieren.

Im Jahr 2000 erschien sein bisher letztes Album. „Solitaire“ gehört zum Intimsten, Eindrücklichsten und Berührendsten, was ein Musiker hierzulande je produziert hat. Die CD wirkt vom ersten bis zum letzten Ton wie ein Vermächtnis. Amman beschäftigt sich darauf dermassen intensiv und offen mit den Licht- und Schattenseiten des Lebens, dass jedermann, der sich das Werk anhört, ahnt oder weiss: Hier kehrt jemand sein Innerstes nach aussen, um einerseits von seinen Erfahrugsn zu berichten, und um andrerseits seinen Mitmenschen etwas mit auf den Weg geben zu können, von dem sie noch lange zehren dürfen. „Wenn die Schweiz eine Musik verdient hat, dann diese“, befand die „Weltwoche“ damals.

Sehr lange konnte sich Hanery Amman auf den Lorbeeren für sein Opus Magnum nicht ausruhen. 2007 wurde bei ihm Krebs diagnostizert. Es folgten Operationen, Chemotherapien und dicke Schlagzeilen, und wenn man mit jemandem zusammensass, der Hanery in den letzten Monaten getroffen haben könnte, lautete die erste Frage an ihn oder sie immer, „wie gehts ihm?“, und die Antwort darauf mit trauriger Regelmässigkeit „schon recht, aber es ist natürlich noch lange nicht vorbei“.

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Ganz von der Bildfläche verschwand der Musiker aber nie. Immer wieder gab es Gerüchte um ein Comeback, und ab und zu trat er sogar irgendwo auf. Zu seinem 60. Geburtstag vermachte er seinen Fans „als Dankeschön fürs Warten“ gratis das Lied vom „Waldgeischt“. Für die Hip-Popper Halunke, die ihre Wurzeln ebenfalls im Oberland haben, veredelte er spielend und singend „Hopfe und Malz“ auf deren Silberling „Houston, we are ok“.

Ansonsten wurde es um Hanery Amman aber immer ruhiger. Und schliesslich sogar beängstigend still.

Und jetzt – jetzt höckelt er an seinem Elektropiano und spielt sich, als ob nie etwas gewesen wäre, eine vom Veranstalter vorgegebene Stunde lang durch eine kleine Auswahl seiner Hits. Er winkt ins Publikum, treibt die Bandkollegen an, lässt seine berühmten Arpeggi durch die Boxen perlen und schüttelt Soli aus dem Ärmel, die nicht wenigen Lederjackenträgern und Anhängerinnen der Jeanskuttenfaktion Tränen der Freude und Rührung in die Augen treiben.

„Hanery Amman“ und „krank“: Diese beiden Begriffe passen an diesem in jeder Hinsicht prächtigen Nachmittag nicht zusammen – ganz im Gegenteil: Mit jedem Ton, den Amman seinem Instrument entlockt, und mit jeder Silbe, die er zuweilen eher krächzt denn singt, scheint er seinen Fans versichern zu wollen: Macht euch keine Sorgen; ich habs überstanden.

Dann erzählt er seine wohl schönste Geschichte; jene, die mit „s het grägnet i de Bärge“ beginnt und die ihn und seine Rosmarie bis Spanie führt. Spätestens, als die beiden zäme blutt ids Wasser renne und Muschle sueche im Sand, ist allen im Festzelt klar, dass sie in diesem Moment etwas erleben, was sich ohne Übertreibung mit „Wunder“ umschreiben lässt:

Die triumphale Rückkehr von einem, den manche schon für immer verloren geglaubt hatten.

Weitere Konzertdaten:

19.11.14 Interlaken
19.12.14 Münchenbuchsee
20.12.14 Interlaken
09.01.15 Luzern
17.01.15 Rubigen
31.01.15 Pratteln
07.02.15 Grosshöchstetten
21.02.15 Burgdorf
21.03.15 Murten

Viel Weiteres von und über Hanery Amman kann hier nachgelesen werden.

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