Die neue Virklichkeit (38)

40 Tage Corona: Das heisst auch 40 Tage unermüdliches Arbeiten daran, tolle Gruppenselfies zu schiessen, ohne die Social Distancing-Regeln zu verletzen (die Dame und den Herrn unter dem Balken braucht das nicht zu kümmern; sie sind verheiratet).

Knapp 40 Tage dauert dieser Lockdown jetzt schon an (ich schreibe extra „dieser“ Lockdown, weil ja niemand sagen kann, wieviele Lockdowns noch folgen werden; vielleicht heissen die „Lockdowns“ irgenwann gar nicht mehr „Lockdowns“, sondern bekommen eigene Namen, „Coronaum“ zum Beispiel. Wenn spätere Generationen etwas zeitlich einordnen wollen, sagen sie, „im Coronaum 3 passierte dieses“ oder „während des Coronaums 11 ereignete sich jenes“, immer vorausgesetzt natürlich, dass es dann überhaupt noch Menschen gibt).

Abgesehen davon, dass ich ausgerechnet an meinem 40. Geburtstag 40 Jahre jung wurde und zwei der besten Alben der Rockgeschichte „40 Trips around the sun“ und „40 Tours around the sun“ heissen, hatte die Zahl 40 für mich nie eine Bedeutung.

Doch jetzt, mit Blick auf das 40 Tage-Jubiläum der Schweizer Corona-Niederlassung, wollte ich wissen, was es mit ihr so auf sich hat, und siehe da:

„40 ist die Symbolzahl der Prüfung, Bewährung, Initiation bzw. für den Tod. Als die verzehnfachte Vier repräsentierte sie Vollkommenheit. Der Ursprung des Vierzig-Tage-Rhythmus lässt sich in Babylonien suchen, wo eine Verbindung des vierzigtägigen Verschwindens des Sternenbildes der Plejaden hinter der Sonne mit Regen, Unwetter und Gefahren beobachtet wurde. Bei der Wiederkehr der Plejaden wurde als Zeichen der Freude ein Bündel aus vierzig Schilfrohren verbrannt“, heisst es bei Wikipedia.

Und weiter: Vom französischen Wort quarante (vierzig) stamme der Ausdruck „Quarantäne“ ab. Im 14. Jahrhundert seien erstmals vierzigtägige Isolationsperioden zur Vermeidung von Pestepidemien verhängt worden.

Das heisst: eigentlich wäre der Spuk heute vorbei, nur liegt die Betonung nicht auf „vorbei“, sondern auf „wäre“.

Seit Corona spielt sich unser Leben im Konjunktiv ab:

Hätten „wir“ im Dezember ernstergenommen, was sich im fernen Wuhan zusammenbraute, hätten „wir“ nicht in aller Eile Notstandsprogramme erarbeiten müssen, als „wir“ drei Monate später realisierten, dass sich die Viren von Italien aus daranmachen, auch Helvetien zu besetzen.

Hätten Herr und Frau Schweizer schon im letzten Jahr Toilettenpapiervorräte angelegt, wäre uns in diesem Frühling manch entwürdigende Szene erspart geblieben.

Wäre dieses Land nicht so unermesslich reich, gäbe es unter den Brücken vermutlich längst keine freien Schlafplätze mehr.

Würden nicht jeden Tag und jede Nacht unzählige Menschen dafür sorgen, dass unzählige andere Menschen auch dann zu essen und trinken haben, wenn sie ihre Wohnungen nicht mehr verlassen dürfen…aber mir wei nid grüble.

40 Tage Corona. Das sind, je nach Verfassung und Betroffenheitsstufe,

40 Tage hoffen,

40 Tage bangen,

40 Tage plangen,

40 Tage Home Office,

40 Tage abstandhalten,

40 Tage meckern,

40 Tage Galgenhumor,

40 Tage Dankbarkeit,

40 Tage Trainerhosen,

40 Tage Rücksichtnahme,

40 Tage Videokonferenzen,

40 Tage selberkochen,

40 Tage lesen,

40 Tage fernsehen,

40 Tage wohnungputzen,

40 Tage Sachen machen, die man zuvor nie machte

40 Tage Dasspieljetztauchkeinerollemehr

und so weiter, und so fort.

40 Tage: Das klingt nach schon ziemlich viel.

Und ist im Vergleich zu dem, was mutmasslich noch kommt, doch erst so nichts.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.