Ein Blues-Denkmal am Genfersee

„Leute: Wenn ihr jetzt da rausgeht, habt ihr die einzigartige Chance, euch ein Denkmal zu setzen, das für alle Zeiten unzerstörbar in der Musiklandschaft stehen wird. Also: Vercheibets nicht!“: Das hat sehr wahrscheinlich niemand gesagt, als der Schweizer Bluesmusiker Philipp Fankhauser und dessen Band am 29. Juni 2012 in der Garderobe der Miles Davis Hall in Montreux sassen und darauf warteten, das weltberühmte Jazzfestival am Genfersee zu eröffnen.

Doch dass über diesem Abend etwas Magisches liegt, muss Fankhauser (Gitarre und Gesang), Angus Thomas (Bass), Hendrix Ackle (Piano und Hammond), Marco Jencarelli (Gitarre), Tosho Yakkatokuo (Drums) und ihrer Bläsertruppe vor dem Gang auf die Bühne bewusst gewesen sein. Anders lässt sich der musikalische Zauber, den sie Sekunden später für die nächsten zwei Stunden entfalteten, nicht erklären.

Auch wenn Musikkritiker schnell einmal von einer „Sternstunde“ schreiben, wenn der Tag lang und ihnen die Inspiration abhanden gekommen ist: Zu Fankhausers Darbietung in Montreux passt der Begriff perfekt. Da sass jeder Ton, passte jeder Akkord und stimmte jede Phrasiserung. Routiniert oder gar steril wirkte der Gig dennoch nie. Vielmehr gingen die Musiker, die sich zum Teil seit Jahrzehnten kennen, mit einer Spielfreude ans Werk, die nur an den Tag legen kann, wer mehr darf als muss, weiss, was er kann und spürt, was die Menschen neben, hinter und vor ihm wollen.

Mit der CD und der DVD „…plays Montreux Jazz Festival“ wird das Ereignis nun auch für die vielen, vielen Bluesfreundinnen und -freunde erlebbar, die den Auftritt – mit dem sich Fankhauser laut seinen eigenen Worten „einen 30jährigen Traum“ erfüllte – nicht vor Ort geniessen konnten.

Schon beim ersten Durchhören fällt auf, dass diese Konzert-Konserve – im Gegensatz zu vielen anderen Live-Dokumentationen – nicht klingt, als ob sie unter Wasser oder auf einer Presslufthammer-Ausstellung fabriziert worden wäre. „…plays Montreux“ ist an Klarheit und Schärfe kaum zu überbieten. Jeder Akteur erhält den ihm gebührenden Raum; nichts ist in den Vordergrund gemischt, nichts wird hinter den Vorhang verdrängt.

Musikalisch bleiben auf dem von Fankhauser und dem kürzlich verstorbenen Festivalgründer Claude Nobs produzierten Werk ebensowenige Wünsche offen wie technisch. 16 Songs – darunter eines jener rar gewordenen Schlagzeugsoli, die tatsächlich fägen und nicht der Selbstbefriedigung des Drummers dienen – umfasst die Werkschau.

Einzelne Titel hervorzuheben, verbietet sich eigentlich von alleine. Sehr hühnerhautig sind „Roadhouses & Automobiles“ oder „Please come on home“. Mehr auf die Tube gedrückt wird in „Blues ain’t nothing“ oder in „Love man riding“. Für die Fans des Dreckig-Schrummeligen empfiehlt sich „Flyin High (Yesterday) als Anspieltipp. In „Down in the valley“ beweist Fankhauser im Dialog mit dem Publikum seine Entertainer-Qualitäten („Come on! This ist Montreux, not some Hinterfultigen!“)

Auf Überraschungen verzichtet der 49jährige Truber auf seinem 13. Album weitgehend. Die Referenz erwiesen wird Fankhausers Wegbegleitern Johnny Copeland, Robert Cray, Solomon Burke und anderen Genregrössen. Geboten wird das Programm der „Try my love“-Tour, was bedeutet, dass Perlen wie „Members only“ oder „Lonely in this town“ fehlen. In der Truhe voller anderer Schmuckstücke werden sie jedoch kaum vermisst.

Aber für jene, dies halt trotzdem immer wieder gerne hören – hier ist, ausser Konkurrenz, die Studio-Version von „Members only“:

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