„Ein Theaterstück über Adolf Ogi? – Das ist ein reizvoller Gedanke.“

Noch einmal geht es mit Ulrich Ochsenbein „stotzig obsi“, bis hinauf in die Landesregierung. Und noch einmal stürzt der Seeländer Politiker aus den höchsten Höhen in tiefste Tiefen. Dann ist auch seine Karriere auf der Theaterbühne zu Ende: Heute Abend wird das Stück über den ersten Berner Bundesrat in der einmal mehr ausverkauften kulturfabrikbigla zum letzten Mal aufgeführt. Peter Leu, der Chef des Hauses, blickt freudig zurück – und wälzt schon neue Pläne.

Ein Theater auf dem Land erzählt die Geschichte eines ehemaligen Bundesrates, den kaum jemand kennt – und feiert damit eine ausverkaufte Vorstellung nach der anderen. Das ist erstaunlich.

Ich bin sehr überrascht, dass sich so viele Leute für dieses Stück interessierten, obwohl sehr viele Gäste beim Betreten des Theaters gestanden, sie hätten von den damaligen politischen Ereignissen keine grosse Ahnung und Ulrich Ochsenbein sei ihnen unbekannt. Auf der andern Seite gab es eine stattliche Anzahl von Besucherinnen und Besuchern, die sich auskannten und neugierig darauf waren, wie wir einen solch komplexen Stoff auf die Bühne bringen würden.

Was ist an diesem Ochsenbein – oder dessen Geschichte – so faszinierend?

Ochsenbein ist eine Figur, wie sie kein Dramatiker besser erfinden könnte. Sein Leben ist geprägt von Triumph und Niederlage, von Sturheit, Verbissenheit und Resignation. Er ist ein Visionär und Zweifler, Rebell und Bewahrer. Nur schon sein Chrakter, seine charismatische Art, macht ihn zur geeigneten Bühnenfigur. Dazu kommt seine enorme Bedeutung für den Kanton Bern und die Eidgenossenschaft. Schliesslich ist auch faszinierend zu sehen, dass sich gewisse Dinge – zum Beispiel die Frage der Neutralität oder das „Fertigmachen“ von exponierten Persönlichkeiten – ständig wiederholen.

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Wenn der beinahe vergessene Ochsenbein zu einem derartigen Publikumsmagneten avancieren kann: Was wäre wohl los, wenn in der kulturfabrikbigla ein Stück über den ungleich bekannteren und populäreren Adolf Ogi aufgeführt würde?

Ich glaube nicht, dass das heute schon funktionieren würde. Ogi und seine politisch ebenfalls recht turbulente Zeit liegen noch zuwenig weit zurück.

Wäre das überhaupt möglich: Ein Theaterstück über Ogi?

Der Gedanke ist durchaus reizvoll: Ogi wurde immer wieder belächelt, obwohl er längst und auf vielen Ebenen seine grossen Qualitäten bewiesen hatte. Und auch er hat – wie Ulrich Ochsenbein – unzählige Hochs und Tief durchlebt und durchlitten. Er ging und geht unbeirrt seinen Weg; besonnen, wach, und, wie ich glaube, mit einer gewissen Demut. Ein Theaterstück über den Menschen Ogi könnte ich mir schon vorstellen. Auch unser Ochsenbein schafft ja einen Bezug zu ihm, in dem er dessen „Freude herrscht“ zitiert.

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Als Zuschauer hatte man das Gefühl, „Ochsenbein“ sei ein relativ „einfaches“ Stück: Es gibt wenig Personal, die Handlung hat einen klar erkennbaren roten Faden, auf Chichi auf der Bühne wird verzichtet. Wie anspruchsvoll war „Ochsenbein“ tatsächlich?

Es war mein Bestreben, dem Publikum ein einfaches Stück zu zeigen. „Einfach“ im Sinne von „süffig“, unterhaltend, nachvollziehbar, interessant und spannend. Und wie so oft, steckte auch bei „Ochsenbein“ hinter dem „Einfachen“ viel mehr Arbeit, als man als Aussenstehender vermuten würde. Das Regiekonzept stellte eine sehr grosse Herausforderung für das Ensemble dar. Das ständige Wechseln der Rollen verlangte geistige Beweglichkeit, Intelligenz und absolute Beherrschung der Geschichte und deren Figuren. Es bedingte die Fähigkeit, schnell und präzise die Zeitebenen und Charaktere zu wechseln. Dazu kamen die logistischen Herausforderungen: Wo braucht es welches Requisit? Wann wird welches Kostüm getragen? Von den Darstellenden und den Mitwirkenden hinter den Kulissen war also schon vor der Aufführung ein sehr hohes Mass an Konzentration gefordert. Eine unsorgfältige Vorbereitung auch nur eines einzelnen Akteurs hätte die ganze Vorstellung gefährdet. Ich bin sehr stolz auf mein grossartiges Ensemble. Es hat jeden Abend präzise und lustvoll gespielt.

Wie hat das Publikum auf die Inszenierung reagiert?

Durchs Band weg mit Begeisterung, Staunen – und mit einer gewissen Dankbarkeit für einen höchst unterhaltsamen und kurzweiligen Geschichtsunterricht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer lobten nicht nur das Schauspiel, sondern auch die Bühne, die Regie und so weiter. Es gab gar Standig Ovations. Sämtliche Aufführungen waren bis auf den letzten Platz ausverkauft. Wer das Stück gesehen hatte, trug seine Begeisterung offensichtlich aus der kulturfabrikbigla hinaus unter die Leute, die es noch nicht kannten. Das Publikum reiste in Scharen auch aus weit entfernten Gegeden nach Biglen. Auch Politiker wie der amtierende Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger liessen sich „Ochsenbein“ nicht entgehen.

Ist der Erfolg von „Ochsenbein“ für Sie ein Ansporn, in Zukunft verstärkt auf solche historischen Stoffe zu setzen?

Was heisst „in Zukunft“? Wer meine Theaterarbeit über längere Zeit verfolgt hat, weiss, dass ich immer wieder historische oder gesellschaftlich bedeutende Themen aufgegriffen habe und von verschiedenen Autoren entsprechend Stücke schreiben liess. Und zwar meist, bevor diese Themen von der Politik oder von den Medien aufgegriffen und vereinnahmt wurden. Das begann bereits während meiner Schauspielschulzeit mit dem Stück über die Jenischen („I dr Nacht sy si cho“). Dann haben wir mit dem Freilichttheater Moosegg Stücke über den Bauernkrieg, die Täuferverfolgung oder das Verdingwesen uraufgeführt. Stosse ich auf interessante und relevante Themen und Figuren, werde ich diese auch künftig auf die Bühne bringen. Momentan bereiten wir ein Stück über einen sehr speziellen Mann vor, der mit sich und den Behörden nicht klarkommt – mit drmatischen Folgen. Uns interessiert sein queres Denken, sein „verschobenes“ Weltbild, wir spüren dem „Werden“ seines Ausrastens nach und wollen versuchen, möglichst viele Facetten seines Charakters, seines Denkens und Fühlens zu beleuchten.

Wann wird dieses Stück zu sehen sein?

Voraussichtlich im nächsten Winter, in der kulturfabrikbigla.

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Full Houses: Das Publikum strömte in Scharen in die kulturfabrikbigla, um die Geschichte von Bundesrat Ochsenbein zu erleben.

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