Eine Art Betriebsausflug (3)

Für Hofstetter, Hofstetter und Hofstetter läuft es auf ihrer Retraite auf Gran Canaria wie am Schnürchen flotter als befürchtet soweit ok. Fast jeden Tag sitzen der Gründer, der Inhaber und der Geschäftsführer eines Burgdorfer Schreibstüblis in Maspalomas zusammen, um sich mindmappend und brainstormend für die „komplexen Challenges einer hypervolatilen Zukunft“ zu wappnen, wie es in Hofstetters Einladung geheissen hatte.

Heute schlugen sie miteinander einen ganz dicken strategischen Pflock ein: Die Rolf Knie-Bilder im Empfangsbereich werden im Januar abgehängt und einem Blindenheim geschenkt. Dafür erhalten Hobbykünstlerinnen aus dem Emmental und dem Oberaargau die Gelegenheit, ihre Werke gegen ein bescheidenes Entgeld jeweils für ein paar Wochen an dieser sehr prominenten Stelle zu präsentieren.

Nun neigt sich letzte Meeting dieses Tages seinem Ende zu. Losgegangen war der Diskussionsmarathon, wie auch schon, am Hotelpool. Gegen 10 Uhr dislozierte man in ein Fischbeizchen am Strand. Dort verweilte man bei Pangasius-Chnuschperli aus Südkorea und ein paar Eimern Sangria ungewisser Provenienz, bis die Sonne beinahe das Meer berührte. Dann verschob sich das Trüppchen in eine Bar.

Seit einem geraumen Weilchen ist der griesgrämige Wirt – abgesehen von den drei Businessleuten in kurzen Jeans und verwaschenen Tourshirts längst der Vergessenheit anheimgefallener Rockbands – der einzige Mensch im Lokal. Um sich die Zeit zu vertreiben, trocknet er die Biergläser immer wieder von Neuem ab.

Hofstetter: „Ich weiss, es war anstrengend, und mir ist klar: Ihr wollt langsam ins Bett.“

Hofstetter (zuckt zusammen, als ob jemand neben ihm einen Silvesterböller aus China abgefeuert hätte): „Was hast du gesagt?“

Hofstetter (hebt mühselig den Kopf vom Tresen): „Du hast wie immer recht. Sooooo recht“ (lässt den Kopf mit einem dumpfen „Toc“ auf die Massivholzplatte zurückfallen).

Hofstetter: „Es ist so: Seit gestern gehe ich mit einem Überraschungsei schwanger, das ich jetzt einfach legen muss. Wenn ich es auch nur noch eine Stunde länger in mir behalte, dann…“

Hofstetter: „…ich will gar nicht wissen, was ‚dann’“.

Hofstetter (schnarcht leise).

Hofstetter: „Um es kurz zu machen: Bei mir hat sich eine Frau gemeldet. Auf Facebook. Nachdem ich das Protokoll unserer letzten Besprechung ins Internet gestellt hatte.“

Hofstetter: „Das beweist wieder mal: Transpiration zahlt sich aus!“

Hofstetter: „Meine Worte, mein Lieber. Meine Worte.“

Hofstetter: „Lass mich raten: Sie lebt in dem Blindenheim, das uns den Knie-Karsumpel abnimmt.“

Hofstetter (schnarcht lauter).

Hofstetter: „Nein, nein. In einer schnuckeligen Wohnung in Aarau.“

Hofstetter: “Und was will sie von dir?“

Hofstetter: „Von uns. Sie will etwas von uns.“

Hofstetter: „Nouhau? Aktien? Geld?“

Hofstetter: „Seit wann sind wir eine AG?“

Hofstetter: „Oh. Richtig. Läck, bin ich müde. Also: Sag schon: Was…“

Hofstetter: „Sie möchte unser Verwaltungsratspräsidium übernehmen. Von Hofstetter.“

Hofstetter: „Potz! Ist sie chli…“ (macht mit dem Zeigefinger kreisende Bewegungen an der Schläfe).

Hofstetter: „Kein bisschen. Im Gegenteil.“

Hofstetter: „Wie heisst sie?“

Hofstetter: „Kann ich nicht sagen. Persönlichkeitsschutz. Ungekündigtes Verhältnis. Konkurrenzklausel. Das volle Geheimhaltungsprogramm halt.“

Hofstetter: „Wenn sich bei uns jemand aus heiterem Himmel für diesen megawichtigen Posten bewirbt, müssen wir doch als Allererstes wissen, wer das ist, sonst könnte ja jeder kommen.“

Hofstetter: „Sie ist aber nicht jeder. Sie wäre für uns dasselbe wie…wie soll ich sagen?…wie Helene Fischer für die Schlagerbranche. Im Gegensatz zu der Fischer kann sie ihre Texte aber selber schreiben.“

Hofstetter: „Wir würden reich und berühmt!“

Hofstetter: „Davon dürfen wir ausgehen.“

Hofstetter: „Kenne ich sie?“

Hofstetter: „Woher soll ich wissen, wen du alles kennst? Ihr Name beginnt mit ‚H’ und hört mit ‚r’ auf.

Hofstetter: „H“…“r“…: Das ist ja genau wie bei uns!

Hofstetter: „Stimmt. Nur anders.“

Hofstetter: „Horisberger? Hochreutener? Heuberger? Hugentobler?“

Hofstetter: „Wie gesagt: Ich sags nicht. Aber stell dir mal vor, die Leuchtreklame auf unserer Zentrale: Hofstetter & Horisberger. Oder Hofstetter & Hochreutener. Oder Hofstetter & Heuberger. Oder von mir aus auch Hofstetter & Hugentobler: Wie sich das liest! Richtig edel.“

Hofstetter: „Kompetent, irgendwie.“

Hofstetter: „Viel besser jedenfalls als beispielsweise Hofstetter & Kunz. Hofstetter & Kunz hätte etwas Halbgares an sich; etwas Unfertiges, Improvisiertes.“

Hofstetter: „Ist ja gut, ist ja gut. Ich habs begriffen.“

Hofstetter: „Meine Nerven! Vom Namen her stünden wir auf einer Stufe mit Isis und Osiris!“

Hofstetter: „Isis und Osiris?!? Gehts bei dir nie eine Nummer kleiner?“

Hofstetter: „Wieso? Wenn Isis statt Osiris diesen Armageddon…“

Hofstetter: „…wenn schon: Agamemnon…“

Hofstetter: „…Kaiser ist Kaiser…“

Hofstetter: „..ich möchte nur…“

Hofstetter: „…egal. Wenn Isis Agamemnon geheiratet hätte: Weisst du, was dann passiert wäre? Mozart hätte seinen Hit von Grund auf neu komponieren müssen, und das nur, weil die Namen der Hauptdarsteller nicht zueinander passen. Agadings hat viel mehr Buchstaben als Osiris, und drum könnte das kein Mensch singen. Dasselbe gilt für Hofstetter und einen dieser langen Namen und Hofstetter und Kunz. Das eine harmoniert, das andere nicht. Verstehst du?“

Hofstetter: „Ich glaube, ich bin nahe dran.“

Hofstetter (erwacht aus dem Koma): „Ist das immer noch dieselbe Sitzung oder schon wieder eine neue?“

Hofstetter: „Hofstetter hat mir soeben erzählt, dass sich eine Frau bei ihm gemeldet habe.“

Hofstetter: „Und dann haben wir noch ein bisschen über die alten Römer geplaudert.“

Hofstetter: „Bei Hofstetter hat sich eine Frau gemeldet? Boah. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

Hofstetter: „Sie will unseren Hofstetter als VRP ablösen.“

Hofstetter: „Weisst du, was lustig ist?“

Hofstetter: „…?“

Hofstetter: „Im ersten Moment dachte ich, du hättest gesagt, eine Frau wolle unseren Hofstetter als Verwaltungsratspräsident ablösen!“

Hofstetter: „Genau das sagte ich.“

Hofstetter: „Noch genauer gesagt, habe ich das gesagt. Die Frau hat sich schliesslich bei mir…“

Hofstetter: …“ja, ja.“

Hofstetter: „Name? Alter? Werdegang? Hobbies? Lohnvorstellungen?“

Hofstetter: „Ist alles top secret.“

Hofstetter: „Kannst du wenigstens versuchen, das wenige, was du uns über sie erzählen darfst, in einem Satz zusammenzufassen?“

Hofstetter: „Natürlich kann ich das. Komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen, ist ja unsere Kernpotenz.“

Hofstetter und Hofstetter: „Wir hören.“

Hofstetter: „Die Frau ist tough. Sie ist cool. Sie ist intelligent. Sie ist witzig. Sie denkt strukturiert. Sie kennt die Kanaren aus dem Effeff. Sie weiss, was sie will. Sie hat keine Angst vor Herausforderungen. Sie liebt Katzen. Und sie ist in Militärfragen extrem bewandert.“

Hofstetter: „Militär! Wenn ich das nur schon höre.“

Hofstetter: „Wieso meinst du? Auf dem globalen Markt sind Zucht und Ordnung das A und O. Amazon, Nestlé oder Apple sind Synonyme für Disziplin. An ihnen müssen wir uns orientieren. Sie müssen unsere Leitsterne auf dem Weg nach…“

Hofstetter: „…hast du dich schonmal mit jemanden, der sich in solchen Dingen auskennt, über deine Hybris unterhalten?“

Hofstetter: „Ich fahre einen stinknormalem VW. Mit diesen Weltrettungswägeli kann ich nichts anfangen.“

Hofstetter: „Das sind Hybriden. Ich meinte ‚Hybris’“.

Hofstetter: „Hat der etwas mit Isis zu tun?“

Hofstetter: „Lassen wirs einfach.“

Hofstetter: „Wenn ich auch etwas sagen darf…“

Hofstetter: „…sprich, Kamerad!“

Hofstetter: „Ich finde das mit den Katzen toll. Wenn sie Tiere so gern hat, mag sie sicher auch die Menschen. Vielleicht kann sie etwas von dem Lockeren, Unverkrampften und Heiteren einbringen, das mir bei uns, ehrlich gesagt, manchmal etwas fehlt.“

Hofstetter: „Ich leite ihr deinen wertvollen Input gegebenenfalls weiter.“

Hofstetter (schaut demonstrativ auf die Uhr): „Dann ist jetzt ja glaub alles…äh…nein, doch nicht. Wie geht es nun weiter? Ich meine: für uns? Und diese Frau? Und für Hofstetter?“

Hofstetter (kann seine rotgeäderten Augen kaum noch offenhalten): „Macht bitte vorwärts, Leute. Ich kippe gleich vom Stuhl. Was immer ihr beschliesst: Ich bin mit allem gebotenen Enthusiasmus dafür.“

Hofstetter: „Was uns betrifft, ist es sehr einfach: Wir treffen uns morgen um Sechs Null-Null zum nächsten Meeting, um die Pendenz „Kafiautomat“ ein für allemal zu nageln. Ich habe im „Haxenstüberl“ einen Tisch reserviert. Der Frau schreibe ich gleich, dass wir hocherfreut wären, wenn sie den Job übernehmen würde. Über ihre Gage und alles reden wir noch. Hofstetter…nun…Hofstetter…“

Hofstetter: „…irgendjemand muss es ihm sagen. Das sind wir ihm einfach schuldig nach all den Jahren…“

Hofstetter: „…in denen er bei keiner unserer Geschäftsreisen dabei war? In denen er keine einzige Budenweihnachtsfeier bezahlte? In denen er uns nicht eine Lohnerhöhung gönnte? In denen er am Sonntag lieber mit seinen Lions-Kumpanen golfen ging, als uns und unsere Liebsten zum Gottesdienst zu begleiten? Meinst du diesen Hofstetter, wenn du von einem Hofstetter sprichst, dem wir Lobpreisungen und Danksagungen und eine formvollendete Benachrichtigung über seine Absetzung schwach sein sollen?“

Hofstetter: „Fairerweise müsstest du vielleicht anfügen, dass das mit den Geschäftsreisen so nicht ganz stimmt; nebst einigem anderen. Einmal liessen wir ihn am Flughafen stehen, und diesmal vergassen wir, ihn einzuladen.“

Hofstetter: „Ach was! Als ich mich neulich am Telefon mit ihm darüber unterhielt, konnte ich ihn kaum verstehen, weil hinter ihm Wellen rauschten und über ihm Möwen krächzten und neben ihm Frauen kicherten. So tragisch kanns für ihn also kaum gewesen sein, dass wir ihn nicht auf die Kanaren mitnahmen.“

Hofstetter: „Das heisst für uns…“

Hofstetter: „Putschs sind Chefsache. Die neue Verwaltungsratspräsidentin soll dem designierten Ex-Verwaltungsratspräsidenten beibringen, dass wir ihn im besten gegenseitigen Einvernehmen fristlos entlassen. Wenn sie das einigermassen hinbekommt, wissen wir: Sie ist unsere Frau.“

Hofstetter: „Und wenn nicht?“

Hofstetter: „Dann wisst ihr: Ich bin euer Mann.“

Hofstetter: „Der bist du ja längst.“

Hofstetter: „Aber nicht ganz oben.“

Hofstetter und Hofstetter (schweigen betreten).

Hofstetter, Hofstetter und Hofstetter (bezahlen und verlassen die Bar).

Hofstetter (singt auf dem Weg zum Hotel leise vor sich hin): „Die ihr der Wand’rer Schritte lenket – stärkt mit Geduld sie in Gefahr…“

Hofstetter: „Was murmelst du da?“

Hofstetter: „Nichts. Gar nichts.“

Was bisher geschah

24.8.2018: Hofstetter, Hofstetter und Hofstetter landen für ihren fast alljährlichen Betriebsausflug auf Gran Canaria. Bei einem Schoggi-Dürüm kommt es zu ersten leichten Spannung im Grüppli. Zum Protokoll gehts hier entlang.

26.8.2018: Während Hofstetter mit den Spätfolgen des Schoggi-Dürüms kämpft, machen die anderen beiden sich Gedanken darüber, wie die es ohne den Verwaltungsratspräsidenten weitergehen soll. Das Protokoll ist hier verlinkt.

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