Einmal rauf und runter

Am Freitag in Ludwigsburg, am Samstag und Sonntag in Rostock, am Montag in Hamburg, am Dienstag in Köln und jetzt wieder in Burgdorf: Das waren sehr viele Kilometer in sehr kurzer Zeit.

Aber: Der Aufwand hat sich gelohnt – für alle Beteiligten.

Die Leute in Ludwigsburg bei Stuttgart zum Beispiel waren ausgesprochen glücklich darüber, dass kurz nach meinem Eintreffen im Schlossgarten endlich wieder Regen auf ihre Stadt fiel, über der zuvor tagelang die Sonne geschienen hatte:

Am Abend tafelten wir in einem ehemaligen Wachtturm der Festung Hohenasperg in einem sehr, sehr gemütlichen Restaurant. Maultaschen, Käsespätzle und Zwiebel-Rostbraten: Herzkranzgefässe, was wollt ihr mehr? Die „Schubartstube“ liegt unmittelbar neben dem Justizvollzugs-Krankenhaus des Landes Baden-Württemberg. Dessen prominentester Insasse Patient war Steffi Grafs Vater Peter.

Etwas weiter nördlich präsentierte der Betreiber des Hotels Brinkmannsdorf in Rostock seinen Gästen den letzten Schrei deutscher Inneneinrichtungskunst. Während die Konkurrenz ihre Treppenhäuser immer noch mit röhrenden Hirschen schmückt, setzt er einen anderen, aber mindestens ebenso reizvollen optischen Schwerpunkt:

Abgesehen davon musste ich in Rostock ein Vorurteil korrigieren: Vor unserem Trip in die Ostzone war ich fest davon überzeugt, dass sich die Menschen da oben ununterbrochen die Köpfe einschlagen, weil sie sich vor der Wende jahrzehntelang gegenseitig bei der Stasi verraten hatten. In meiner Fantasie sah das Leben in Rostock so aus:

Aber oha: Mit der DDR-Staatssicherheit hatte, wie eine nicht-repräsentative Umfrage in meinem neuen Bekanntenkreis ergab, so gut wie niemand etwas zu tun; wenn doch, wars der Nachbar. Die 200 000 Rostockerinnen und Rostocker gehen über 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer geregelten Tätigkeiten nach, statt ihre Energie auf Rachefeldzügen zu verplempern. Sie sammeln Pfandflaschen, füllen Hartz IV-Anträge aus oder arbeiten. Abends entspannen sie sich am Strand von Warnemünde.

Mit der untergehenden Sonne vor Augen und sedierenden“Café del Mar“-Klängen in Ohren nippen Touristen und einheimische Besserverdiendende in weissen Lounges an Milchshakes und Cocktails. Ab und zu scheisst ein Albatros auf einen der Chillenden.

Zwischen Rostock und Hamburg (und später auch zwischen Hamburg und Köln) stellten wir fest, dass die Deutsche Bahn immer noch nicht ist, was sie nie war: pünktlich. Verspätungen von einer halben Stunde und mehr sind an der Tagesordnung und werden von den auf dem Perron wartenden Eingeborenen achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Dasselbe gilt für das Sitz-Reservationssystem. Zwar legen die Bewohner des Landes, in dem die frühmorgendliche Strandflächenbesetzung by Badetuch und die

„Raucherzone“ auf dem Bahnsteig

erfunden wurde, grössten Wert darauf, auch auf Schienen einen Platz im Voraus auf ganz sicher zu haben. Doch oft steht auf den Anzeigen über den Sesseln nur „ggf. reserviert“. Das lässt Passagieren, die sich nicht als Teil einer fahrenden Besatzungsmacht sehen, einen gewissen Interpretationsspielraum; zumindest für eine kurze Zeit. Denn sobald das System wieder funktioniert, keuchen Herr und Frau Kunze mit Sack und Pack durch sämtliche Wagen, um sich helmutkohlartig grinsend auf ihren Plätzen niederzulassen. Das ist für jene Mitfahrenden, die weichen müssen, chli blöd, vor allem, wenn das zwei-, dreimal hintereinander so geht, aber was wotsch.

Hamburg? Toller Hafen, schöne Flanierzone und schampar viele Schweizer. Immerhin: Bis ins

Rotlichtviertel

haben wirs in den paar Stunden, in denen wir durch die Hansestadt bummelten, geschafft. Nur: Die Reeperbahn am helllichten Tag ist wie…wie…sagen wir: AC/DC ohne Strom. Wir müssen uns diese Stadt später einmal in Ruhe anschauen gehen.

Und Köln? Herzig, schmuck und ebenfalls sehr belebt. Wir nächtigten im Central-Hotel im Schatten des Doms, für rund 60 Franken pro Einzelzimmer (noch sind wir ja nicht verheiratet, und Doppelzimmer gab es sowieso keine mehr), samt üppigem Zmorgebuffet.

Hinweis für Ästethen: Im selben Haus ist ein China-Restaurant untergebracht. Als wir am späten Abend an dessen Küche vorbeigingen, sahen wir darin Fischköpfe und -Innereien herumliegen. Passend dazu roch es ziemlich streng.

Aber wer es um ein paar Ecken nach oben ins Schlafgemach geschafft hat, wird für die Immissionen mit einer prächtigen Aussicht entschädigt:

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