Elektroukulelen mit Blattspinat

Bei strahlendem Sonnenschein entstiegen die Neuen gestern Nachmittag dem Car, der sie vom Flughafen zum Hotel gebracht hatte. Als sie heute Morgen aus dem Fenster guckten, mussten sie jedoch zur Kenntnis nehmen, dass es auch mitten auf den Kanaren regnen und kühl sein kann.

Statt am Pool zu dösen, am Strand zu sünnele oder mit dem Jeep zu den Kamelen zu safahren hiess es für sie: erstmal ausgiebigst zmörgele mit allem, was sie zuhause nie essen würden (Cipollata mit weissen Bohnen an Tomatensauce zum Beispiel samt Blattspinat und Rührei und einem Kiwisaft plus Schoggigipfel oder sonst etwas traditionell Spanisches) und dann, 13 Tage vor der Rückreise, die langen Hosen und Hoodies aus den eben im Schrank verstauten Koffern zu kramen und sich im überdachten Openairbeizli ein windgeschütztes Eggeli zu suchen, in dem sie sich für den Rest des Tages eher unterbegeistert Tätigkeiten hingaben, die sich als Zeittotschläger schon während der Lockdowns I und II bewährt hatten: der Lektüre eines „guten Buches“ (Charlotte Link) und dem Trunke (Serwessa für ihn, Moschito für sie).

***

Überhaupt, die Lockdowns: Je länger sie zurückliegen, desto wehmütiger denke ich an die Monate zurück, in denen man all die Verhaltensauffälligen, die einem schon aus 150 Metern Distanz die Fremdschamesröte ins Gesicht treiben, sicher in deren eigenen vier und mehr Wänden verwahrt wusste.

Jetzt, wo die Coronaregeln zäntume aufgehoben wurden, kommen sie rudelweise aus ihren allviertelstündlich durchgelüfteten Löchern in England, Österreich, Schottland, Holland, Deutschland, Irland und – ja – der Schweiz gekrochen, um die grosse neue Freiheit zu geniessen und auszuleben, was sie unter „Normalität“ verstehen.

Aber gut: Wegen ihnen geht das Abendland nicht unter, und falls doch, hat es es halt nicht anders verdient. Dann legen wir uns, in lustige T Shirts

gewandet, eben mit in die Gruft, in der sich schon die alten Römer stapeln, und singen miteinander „I hätt no viu blöder ta„.

***

Für jene Leserinnen und Leser, dies mehr mit guter Musik haben – hier sind drei nigelnagelneue Alben, die ich dringend zum Kauf oder zumindest zum Durchhören empfehle:

John Mayalls „The sun is shinging down“ dürfte – trotz des gelegentlichen Einsatzes einer Elektroukulele; was es nicht alles gibt! – einer der letzten grossen Würfe des Meisters aller Bluesrockklassen sein.

Bryan Adams‘ „So happy it hurts“ hält exakt, was der Titel verspricht und ermöglicht für wenig Geld eine gedanklich-emotionale Zeitreise in die glorreichen und sorgenarmen 80er des vergangenen Jahrhunderts (was sage ich: -tausends!).

Marillions „An hour before it’s dark“

ist einfach wunderschön; auch bei Tagesanbruch oder sonstwann.

***

Wenn der Hotelmanager aus seinem freien Wochenende zurückkehrt und einen fragt, ob es mit der Gaschtig „irgendwelche besonderen Vorkommnisse“ gegeben habe, kann man sich fragen, ob man vielleicht scho chly lange hier sei, oder sich mit ihm über eine Festanstellung unterhalten.

Weil ich an meinem Budeli nach wie vor schwer den Plausch habe, trifft es sich so betrachtet ganz gut, dass der Abschied von der Homeoffinsel tatsächlich naht. Am Freitag um 15.40 Uhr landet meine Edelweiss-Maschine mit der Flugnummer LX 8201 in Zürich-Kloten. Gegen 16 Uhr schlurfe ich mit meinen Habseligkeiten am „Nichts zu verzollen/Rien à déclarer“-Schild vorbei in die Ankunftshalle (aber nein: es braucht mich wirklich niemand abzuholen), und schon zweieinhalb Stunden später höckle ich mit oberlässigen Menschen bei einem oberfeinen Znacht in einem obergemütlichen Restaurant.

In dem Zimmer, in dem ich gerade schreibe, hat sich bis dann jemand anders eingenistet. Er oder sie wird nie erfahren (oder sich auch nur peripher dafür interessieren), wer in den letzten zwei Monaten in seiner oder ihrer Unterkunft hauste und was diese Person hier tagein und -aus machte.

Das ist, irgendwie, kein völlig unseltsamer Gedanke. Aber vor allem einer, der aufs Schönste zeigt, dass die Chinesen mit ihrem Panda Rei schon richtig liegen.

3 Kommentare

  1. Eieiei, was hast Du denn gegen den Göla!?

    Gegen John Mayall kann er allerdings wirklich nicht anstinken – da liegen Welten dazwischen

    Bryan Adams dagegen war auch schon hübscher *ggg*
    Ich werde wohl alt, weil ich die Musik tatsächlich „nett“ finde und mich kaum schäme, das zuzugeben.

    Dir eine schöne Restzeit auf Deiner Sonneninsel und eine gute Rückkehr in die bis dahin wieder winterliche Schweiz

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.