Fast wie daheim

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Das Restaurant Seetal in Beinwil am See war für mich wie ein zweites Zuhause. Einerseits kehrten wir mit dem FC regelmässig in der urgemütlichen Beiz an der Aarauerstrasse 79 ein. Andrerseits war ich mit den Söhnen der damaligen Wirtsleute befreundet.

Von ihnen, ihrem Vater und ihrem Grossvater – er hatte es als Mann mit den grössten Ohren der Schweiz einst bis in den „Blick“ geschafft – lernte ich an endlosen Samstag- und Sonntagnachmittagen jassen und auch sonst allerhand über das Leben.

Der kulinarische Hit waren Bratwürste mit Zwiebeln und Rösti. Am runden Stammtisch diskutierte die Gaschtig die Welt in Ordnung; nach einigen der Bauern und Handwerker konnte man die Uhr stellen. Hinter dem Tresen mit der Kasse darauf war die Küche, und hinter der Küche war der Hof, und auf dem Hof war der Stall (und neben dem Stall stand eine mächtige Tanne, auf deren Wipfel Spatzen sassen, auf die wir einmal ein bisschen mit dem Luftgewehr schossen. Aber das nur nebenbei.).

Im „Seetal“ duftete es nicht nur nach Zigaretten und Stumpen, sondern manchmal auch nach Mist und Kühen, aber das störte niemanden, im Gegenteil: Auch das trug viel dazu bei, dass man sich im „Seetal“ weniger wie in einem Restaurant fühlte, sondern wie bei Menschen, die ständig daheim sind und denen es nicht das Geringste ausmacht, wenn allpott Leute hereinschneien, um chli zu plaudern oder Zeitung zu lesen oder einfach nur schweigend in einer Ecke zu höcklen und bei einem Halbeli Roten darauf zu warten, dass auch dieser Tag vorbeigeht.

Seit meinem letzten Bier im „Seetal“ ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Im Rahmen einer Familienfeier kehrte ich gestern in das Haus zurück, in dem ich als Teenager unzählige tolle Stunden verbracht hatte.

Meine Befürchtungen, dass die (inzwischen nicht mehr sooo) neuen Besitzer alles umgebaut und auf Modern getunt haben könnten, verflogen in dem Moment, in dem ich durch die Eingangstüre trat: Abgesehen davon, dass die Aschenbecher fehlen, sieht es in der Gaststube noch fast genau gleich aus wie einst. Von der ersten Sekunde an wars mir im „Seetal“ wieder genauso vögeliwohl wie damals, als „Fis“ jeden Tag aus seiner glorreichen Operettenvergangenheit erzählte und Ferdi bei Margrit im Halbstundentakt „nones Grosses“ bestellte.

Aufgetischt wurden nicht Würste, sondern Spezialitäten aus der Steiermark (die Familie von Andreas Schelesen, die den Betrieb nun führt, stammt aus Österreich): Einem chüschtigen „Vogerlsalat“ folgten ein butterzartes Stück Braten an einer himmlischen Sauce mit einer Polenta, die auch Menschen, die mit atomisiertem Mais sonst nicht wahnsinnig viel anfangen können, die Freudentränen in die Augen trieb. Crêpes über einer halbgefrorenen Glace rundeten das Erlebnis ab.

Das einzige, was mir chli fehlte, waren das Muhen der Kühe im Hintergrund und, nach dem Dessert, die Frage, „machemer none Jass?“ Abgesehen davon fühlte ich mich im „Seetal“ wie schon neulich, als ich mit meiner Frau einen Match meines ehemaligen Fussballclubs besucht hatte: Als ob ich durch ein Loch in der Zeit gefallen und sehr, sehr sanft gelandet wäre.

4 Kommentare

  1. Hallo Hannes,
    ja das Seetal… da war ich auch oft als Kind… und da stimme ich Dir zu.. es war immer etwas besonderes… es das Seetal als Restaurant nicht war wie alle anderen 🙂

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