Feduschine statt Pyramiden

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Adios: Noch 25 Stunden, dann sind sie vorbei, meine Solo-Ferien 2013. Morgen früh sitze ich im Flieger nach Zürich, wo schon Roger Waters auf mich und meinen Schatz wartet.

Ich packe meine ziemlich genau sieben Sachen hier ohne Bedauern zusammen. Denn trotz konstant hoher Temperaturen wurden wir heuer – ganz im Gegensatz zum Vorjahr – nie so richtig warm miteinander, Gran Canaria und ich.

Natürlich: Als ich vor zwölf Monaten eine Woche auf dieser Insel verbrachte, war für mich vieles neu. Das Hotel, die Dünen, die Menschen: Das alles sah ich damals zum ersten Mal. Entsprechend reizvoll war es, jeden Tag eine kleine Entdeckungsreise zu unternehmen.

Bei der Zweitauflage würde ich Déjà-vus und -eus erleben; das war mir bewusst. Wer seine Ferien 2013 zur selben Zeit am selben Ort verbringt wie 2012, muss mit der einen und anderen Wiederholung rechnen. Dass die Sandberge von Maspalomas extra wegen mir umgeformt würden, durfte ich ebensowenig erwarten, wie dass die Hotelchefs das Abendprogramm auf den Kopf stellen, weil ich die Flamcenotänzerinnen, Zirkusartisten, Sängerinnen und Zauberer von früher her kenne.

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Aber darum geht es gar nicht. Es geht auch nicht darum, dass ich letztes Jahr das bessere Zimmer gehabt hatte, dass mir diesmal das Handy zwischenzeitlich abhanden kam oder dass ich gestern, am 9. September, bemerkte, dass mein Rückflugticket irrtümlich auf den 7. September ausgestellt worden war.

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Das Problem – mein Problem – waren andere Touristen. Sehr, sehr viele andere Touristen.

Ausländer tummeln sich zwar schon seit dem 19. Jahrhundert auf dem malerischen Eiland vor der Küste Westafrikas, und zwar nicht zu knapp. Aber im vergangenen Jahr war ich erstens von deutlich weniger und zweitens von wesentlich normaleren zivilisierteren Menschen umzingelt.

Mit soviel Arroganz und Wohlstandsverwahrlosung sah ich mich in meinem ganzen Leben noch nie konfrontiert. Unabhängig von ihrer Nationalität ist es unwahrscheinlich vielen Gästen dieses Landes offensichtlich völlig egal, was ihre Gastgeber und Mitreisenden über sie denken.

Schuld am zahlenmässig fast chli beängstigend überbordenden Fremdenverkehr auf Gran Canaria sei primär die verworrene politische Lage in Ägypten, sagt mein Freund, der sich in der Reisebranche bestens auskennt. Weil von Trips an den Nil seit einiger Zeit dringend abgeraten wird, seien unzählige Leute, die ihre Ferien eigentlich im Schatten der Pyramiden verbringen wollten, auf die Kanarischen Inseln ausgewichen, wo ja ebenfalls immer die Sonne scheint und es ein Meer hat und wo die Eingeborenen erst noch fliessend kalt und warm Deutsch sprechen.

Statt Aaaahend und Oooohend durch die Tempel von Luxor zu schlendern, hocken die um ihre hochkulturellen Erfahrungen Geprellten nun johlend und gröhlend in den Bars und Beizen von Playa del Inglés und lassen die Umsitzenden an ihrem von Nofretete und Ramses geprägten Denken und ihrem auf unzähligen Reisen in bedeutsamere Länder geschärften Wissen teilhaben.

Das klingt dann so: „Isch nehm ma diese Feduschine und n grossas Helles und…kuck ma, Alda: Tittn bis zude Kniescheibe runda!!!“

Es sind dieselben Zeitgenossen, die an der Rezeption endlos darüber diskutieren, ob sie sich am Zmorgebuffet einen Teller vollbeigen und diesen dann mit aufs Zimmer nehmen können (aber immerhin: Andere fragen nicht einmal, sondern machens einfach. Manche benutzen dafür nicht einmal einen Teller).

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Wegen diesen Leuten hängen überall Flyer, denen zu entnehmen ist, dass der Bademeister Badetücher, die nur zu Reservationszwecken auf die Liegen am Pool gelegt wurden, entfernt (und wehe dem Bademeister, der diese Verordnung durchsetzt!).

Diese Leute beschweren sich beim Barkeeper darüber, dass die Zweimannband im Garten mit Halbplayback spielt.

Und wenn sie endlich abreisen, diese Leute, drücken sie der Putzfrau gönnerhaft einen Euro Trinkgeld in die Hand. Dann sagen sie ihr, sie könne die Köfferli nun zum Ausgang bringen.

Die meisten dieser Leute waren letztes Jahr nicht auf Gran Canaria. Damals war es problemlos möglich, sich einmal irgendwo hinzusetzen und etwas zu lesen oder zu schreiben, ohne, dass man alle fünf Minuten nach einem Loch im Boden suchen musste, in dem man peinlich berührt oder angewidert verschwinden konnte, weil man mit diesem Platzdajetztkommich!-Pack nichts zu tun haben will.

Nun, wo alles bald vorbei ist, kann ichs ja sagen: Ich habe den Playaboy, mit dem ich bei meiner Playadelinglés-Premiere sieben tolle Tage genossen hatte, nie gesehen (unsere Erlebnisse sind hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier dokumentiert). Er war gar nicht da.

Als ich mein Zimmer bezog, erblickte ich auf dem Bett einen Zettel. Darauf stand: „Hi! Die letzten Monate hier waren nicht schön. Pälla und so; du verstehst schon. Ich bin auf Sardinien, in einer kleinen Pension in den Bergen. Machs guet – oder zumindest das Beste daraus.“

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1 Kommentar

  1. Coole „Shortcuts“ aus deinen „Lebens-Spaziergängen“….immer wieder amüsant zu lesen…macht Spass…weiter so !!

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