Freundliches Völkchen

Christiansfeld, Nyborg, Stockholm: Seit vier Tagen reisen wir durch Dänemark. Wir sahen pittoreske Dörfer, wunderschöne Landschaften und die liebevoll herausgeputzte Hauptstadt mit ihrem kunterbunten Hauptbahnhof (siehe Bild oben).

Doch was uns bisher mindestens ebenso beeindruckte, war die Gastfreundschaft der Einheimischen: So viele nette Menschen habe ich in so kurzer Zeit glaub noch nirgendwo getroffen (ausser in Australien, aber das ist, irgendwie, etwas anderes).

Im Moment sitze ich an der Bar neben der Rezeption des Mercure Hotels im Zentrum von Kopenhagen. Es ist vier Uhr am Morgen. Die Empfangsdame erledigt in einem kleinen Büro nebenan Papierkram.

Ausser uns beiden ist niemand da. Ich hätte gerne einen Kaffee, aber das Restaurant ist noch geschlossen und die Maschine an der Bar leer. Als die Mitarbeiterin den Kopf aus ihren Kabäuschen streckt, frage ich sie, ob es wohl möglich sei, einen…

…ich kann den Satz nicht beenden, als sie schon fragt, ob sie die Kafimaschine anwerfen soll. Ihr sei auch gerade nach einer Tasse schwarzen Gebräus, und wenn sie schon für sich eine zubereite, könne sie mir ja auch gleich eine servieren. Bis die Maschine laufe, dauere es allerdings eine Viertelstunde, fügt sie fast entschuldigend an. Dann macht sie sich ans Werk. Zehn Minuten später steht das Kafi vor mir.

Während ich daran nippe, frage ich mich, ob ein Tourist in einem Schweizer Hotel mit seinem Anliegen um diese Uhrzeit wohl ähnlich viel Glück hätte.

Ähnliche Überlegungen schossen mir schon in Nyborg durch den Kopf, als eine Campingbetreiberin uns ohne Umstände erlaubte, uns in einem Bungalow einzuquartieren, obwohl der Platz noch geschlossen war. Oder gestern, als ein Verkäufer an einem Hot Dog-Stand unserer Meite nicht nur eine Wurst anbot, sondern das Fleisch auch noch in hundeschnauzekompatible Portionen zerstückelte. Darüberhinaus spendierte er der vom vielen Laufen ermatteten Tess eine Flasche Mineralwasser.

Zwei Stunden später erkundigte sich der Kellner in einem bis auf den letzten Platz besetzten Lokal in der Innenstadt, ob The Dog vielleicht den Knochen eines T Bone-Steaks haben möchte. Kaum hatten wir freudig überrascht bejaht, eilte der Mann in die Küche. Wenig später stand er wieder vor uns. T Bone-Knochen seien gerade keine vorrätig, teilte er uns mit, und offerierte The Dog stattdessen einen Napf voller Lammreste.

„We are red, we are white – we are Danish dynamite!“: Mit diesem Schlachtruf zog die Dänische Fussball-Nationalmannschaft 1992 in die Europameisterschaft, zu der sie kürzestfristig als Ersatz für die wegen des Krieges in ihrer Heimat verhinderten Kicker aus Jugoslawien aufgeboten worden war. Einige Dänen reisten direkt aus ihren Ferien an die EM.

In der Nacht des 26. Juni sorgten Peter Schmeichel, Henrik Larsen, Kim Christofte, Flemming Povlsen, Brian Laudrup und ihre Freunde im Göteborger Ullevi-Stadion für eine der grössten Sensationen der Sportgeschichte: Im Finale besiegten sie den amtierenden Weltmeister Deutschland mit 2:0.

Schon damals nahm die Welt Kenntnis von einem Völkchen, das Ernsthaftigkeit und Pflichbewusstsein scheinbar mühelos mit Lebensfreude und Offenheit zu paaren versteht. Der Chlapf, mit dem dieses sympathische Gemisch damals explodierte, hallt noch heute nach.

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