Geschenk des Himmels für Berufshysteriker

Wer weiss: Vielleicht wird dieser Text nie fertiggeschrieben. Möglicherweise endet er in diesem Moment.

Oh: Nichts passiert.

Aber das ändert natürlich nichts daran, dass ich hier immer noch unter Lebensgefahr schreibe. Schliesslich rast über mir „ein busgrosser Satellit“ der Erde entgegen. Und niemand konnte bis jetzt verbindlich sagen, dass die sechs Tonnen Altmetall nicht in unser Gemüsebeetli krachen.

Eigentlich kann ja überhaupt niemand etwas Verbindliches sagen. Die Moderatorendarstellerin von ProSieben zum Beispiel erklärte ihren Zuschauern, die zähneklappernd und mit Stahlhelmen auf dem Kopf den womöglich letzten TV-Abend ihres Lebens verbrachten, mit grossem Ernst, dass Teile der Satellitentrümmer „vermutlich irgendwo zwischen Schweden und Südamerika einschlagen“ würden.

Doch wie schon bei SARS, der Vogel– und Schweinegrippe, dem Waldsterben und so weiter lassen sich manche Menschen auch im Fall „Satellitencrash“ durch Nichtwissen nicht davon abhalten, auf Vorschuss zu hyperventilieren. In Italien raten die Behörden der Bevölkerung, zuhause zu bleiben. Das wäre ja wirklich noch schöner: Da plappert man auf dem Mercato gemütlich mit dem Nachbarn, und in der Sekunde, in der man nach den Tomaten greift: Bumm, krach, schepper!

Und wenn die vage Möglichkeit besteht, dass irgendwo eine hypothetische Gefahr lauern könnte, sind auch hierzlande die professionellen und mit Steuergeldern bezahlten Panikschürer nicht weit. Was die Nationale Alarmzentrale auf ihrer Homepage zum Thema „Satellitenabsturz“ schreibt, lässt flüchtige Leser befürchten, die Welt gehe noch vor dem nächsten „Tatort“ unter: „Da einzelne Satelliten ihre Energie aus radioaktiven Stoffen beziehen, ist beim Absturz eine Verstrahlung nicht auszuschliessen“, schreiben die Berufs-Alarmisten der Eidgenossenschaft. Und weiter: „Sollte ein solcher Absturz tatsächlich über Schweizer Hoheitsgebiet stattfinden, ist die NAZ für die Lokalisierung der radioaktiven Trümmer und die Organisation der entsprechenden Strahlungsmesskampagne verantwortlich. (…) Droht tatsächlich ein Satellit mit nuklearer Bordenergieversorgung auf die Schweiz abzustürzen, wird die NAZ durch die European Space Agency (ESA) informiert. Die NAZ orientiert ihrerseits alle Kantonspolizei-Korps. Dabei geht es nicht nur um allfällige Schutzmassnahmen für die Bevölkerung, sondern auch um Beobachtungen aus der Bevölkerung in Zusammenhang mit dem Absturz.“

Tatsache ist: Experten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA gehen davon aus, dass von den sechs Tonnen Satellit nach dem Eintritt in die Erdatmosphäre noch 500 Kilogramm Metall übrig bleiben werden. Und diese prallen nicht als Klotz auf den Boden oder ins Wasser. Sie prasseln in kleinen Stücken hernieder. Das Risiko, dass dabei ein Mensch verletzt wird, beträgt laut den Fachleuten 1 zu 100 Milliarden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Medienleute und staatliche Institutionen auch das nächste Müggli zu einem alles verschlingenden Monster aufblasen, ist im Vergleich dazu sehr, sehr viel grösser.

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