Gut kopiert ist halb kritisiert

In meiner Lieblingszeitung las ich heute die Kritik über die Theateraufführung „Dr Prinz Wiederkehr“ in Burgdorf.

Noch bevor ich am Schluss des Textes angelangt war, fragte ich mich irritiert, wieso mir der von einer freien Journalistin verfasste Artikel dermassen bekannt vorkam.

Von einer merkwürdigen Ahnung getrieben, holte ich mir meine eigene Besprechung auf den Bildschirm – und staunte nicht schlecht.

Ich hatte am Freitagabend getitelt:

Bildschirmfoto 2013-10-28 um 17.32.59

Am Montag schlagzeilte die Zeitung:

Bildschirmfoto 2013-10-28 um 17.31.53

Ich bemängelte: „Wer eine Menschengruppe lange nach dem Eindunkeln über ziemlich steile (und oft mit Laub belegte) Treppen lotst, sollte – nein: muss – sich beleuchtungstechnisch mehr einfallen lassen (…)“.

Die freie Journalistin monierte: „Beleuchtungstechnisch dürfte für den nächtlichen Theaterspaziergang über zum Teil mit Laub belegte Treppe (sic!) noch einiges mehr getan werden.“

Ich lobte: „Für den strapaziösen Aufstieg werden die Wandererinnen und Wanderer bei der letzten Szene – sie spielt im ehemaligen Gerichtssaal – mit einer herrlichen Schlusspointe entschädigt“.

Die freie Journalistin vermerkte: „In der letzten Szene im ehemaligen Gerichtssaal wird das Gefolge mit einer herrlichen Schlusspointe entschädigt.“

Auch wenn die Sätze vom Bau her nicht 1:1 übereinstimmen: An eine zufällige Duplizität der Kritikpunkte und, vor allem, der wortgleichen Formulierungen „beleuchtungstechnisch“, „mit Laub belegte Treppe(n)“, „im ehemaligen Gerichtssaal“ und „mit einer herrlichen Schlusspointe entschädigt“ glaube ich nicht.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass zwei Leute, die am selben Abend einer anderthalbstündigen Aufführung mit acht verschiedenen Schauplätzen gefolgt sind, unabhängig voneinander auf die Idee kommen, das Gesehene unter dem Stichwort „Beschwerlich“ zusammenzufassen.

Wie die freie Journalistin auf ihre „Inspirationsquelle“ gestossen sein könnte, ist ohne ausufernde Recherchen eruierbar: Ich hatte den Link zu meinem Beitrag am Wochenende auf die Facebook-Seiten von Claudia und Karin Fankhauser vom Theater Z gestellt. Zu deren Freundeskreis gehört auch die Autorin der *räusper* professionellen Kritik.

Ehrlich gesagt: Mir ist es egal (und je nach „Dieb“ sogar ganz recht), wenn sich jemand aus dem Fundus meines geistigen Eigentums bedient. Ich renne deswegen nicht zum Schweizer Presserat und gehe deshalb auch nicht „bis nach Lausanne“.

Falls jemand Lust hat, kann er oder sie ganze Beiträge aus meinem Schreibstübli klauen – jedenfalls solange, wie er oder sie bei der Zweitverwertung zumindest in einem Nebensatz angibt, woher er oder sie den Text hat.

Aber hier ein bisschen zu kopieren und dort ein wenig zu adaptieren, das Ganze notdürftig umzuschreiben und es am Ende als Eigenleistung zu verkaufen: Das, finde ich, ist chli unfair.

Und zwar nicht nur mir, sondern auch der Leserschaft gegenüber.

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