Im Hochgebirge

Falls Gott gewollt hätte, dass ich den Plausch an stotzigen Wegen und überhängenden Geröllhalden habe, wäre ich als Pistenfahrzeug zur Welt gekommen. Nach dieser Devise bin ich körperlichen Betätigungen in der Höhe bisher aus dem Weg gegangen. Abgesehen davon erachte ich es als schlicht nicht verantwortbar, wenn Flachländer in die Lebensräume der Alpenbewohner eindringen. Die Tiere und Leute da oben sollen sich ungestört von der Zivilisisation fortpflanzen und entwickeln können. Die Indianer hätten wohl auch keine Freudentänze aufgeführt, wenn sich plötzlich Horden von Fremden in ihrem Land breitgemacht hätten.

Gestern aber…gestern aber musste ich meine Einstellung revidieren. Nicht grundsätzlich zwar, aber immerhin so, dass ich heute sagen darf: Das hat jetzt einfach tierisch gfägt.

Aus einer Laune heraus mieteten Chantal und ich nach dem Mittagessen je einen Flyer. Damit radelten wir nach Rüegsauschachen und von dort steil hoch zur Schaukäserei in Affoltern, wo wir die Akkus wechselten. Anschliessend sausten wir wieder ins Tal hinunter, nach Sumiswald und weiter nach Langnau.

Es war, trotz der kleinen Motörli, bisweilen eine elende Plackerei. Kaum hatten wir eine Steigung hinter uns, folgte die nächste Anhöhe. Es ging obsi und obsi und obsi, bis wir gut 500 Höhenmeter bewältigt hatten. Ich fragte mich mehr als einmal alle fünf Sekunden, was zum Teufel ich eigentlich hier tue und ob es amänd nicht noch andere Möglichkeiten gebe, 110 Kilo Lebendgewicht durch die Landschaft zu fugen.

Aber am Ende, nach über 42 Kilometern, als wir die Velos in Langnau zurückgaben und in den Zug nach Burgdorf stiegen, waren wir einfach nur glücklich darüber, das Ausfährtli unternommen zu haben. Endlose grüne Hügelketten, kerngesunde Wälder, kubikkilometerweise Frischluft: Andere bezahlen ein Vermögen, um das einmal geniessen zu dürfen. Wir brauchen dafür nur ein paar Stunden vor unserer Haustüre herumzufahren.

Für Hochgebirgslandschaften typische Tiere erblickten wir leider nicht; kein Steinbock stand staunend am Wegesrand, keine Gämse meckerte fröhlich Beifall, kein Murmeltier pfiff uns anerkennend hinterher. Dafür grüssten wir jede Menge Kühe und Kälber und Schafe und Geissen und winkten knapp unterhalb der Baumgrenze ermattet einem Mäusebussard zu, der über uns majestätisch seine Kreise zog.

Während sich unsere Muskeln noch von den für sie etwas überraschenden Strapazen erholen, denken Chantal und ich schon über das nächste Tüürli nach. Es gibt viele Herzrouten – und damit noch beliebig weitere Möglichkeiten, die wunderschöne Welt in der Nähe ganz neu zu entdecken.

6 Kommentare

  1. Hallooooooo? Ich wurde sozusagen mit dem Velo geboren!

    Und Flyer kann man bei uns auch mieten. Die Gemeinde besitzt sogar so ein Vehikel, das wir gewonnen haben, weil wir erste Berner Minergie-Gemeinde geworden sind, sehr zum Ärger von Köniz und der damals zuständigen Gemeinderätin Simonetta Sommaruga (grins).

    Zudem gibt es bei uns eine Firma, welche eine Art Luxusvariante des Flyers herstellt. Etwas, das ich mir wahrscheinlich von meiner dereinstigen Abgangsentschädigung als GP kaufen werde. Damit kommst du zur halben Zeit über die Herzroute.

  2. ich weiss jetzt gar nicht so recht, ob Hannes I des Velofahrens überhaupt mächtig ist. Sicher bin ich aber, dass er nicht 110 kg auf die Waage bringt, schliesslich hat er sich ja lieber in deutschen Landen der Kultur gewidmet, statt sich grillationistisch verköstigen zu lassen…

  3. Liebe Frau Hollenstein

    Äh…wie soll ich sagen?…es ist so: Der tolle Erlebnisbericht stammt nicht von meinem Namensvetter Hannes Zaugg-Graf, sondern von dessen Vornamensvetter Hannes Hofstetter; also von mir.

    Herr Zaugg-Graf ist in seiner Funktion als Gemeindepräsident von Uetendorf lediglich auf den fahrenden Zug, bzw. den rasenden Flyer aufgesprungen und hat die Gelegenheit genutzt, chli Werbung für sein in der Tat wunderschönes und nicht nur, aber auch per Flyer problemlos erreichbares Dorf zu machen.

    Beste Grüsse aus Burgdorf,

    Hannes Hofstetter

  4. Lieber Herr Zaugg-Graf
    Was für ein toller Erlebnisbericht! Das Herzroute-Team freut sich über glückliche FLYER-Fahrer, welche die Emmentaler-Hügel mit einem Lächeln im Gesicht durchqueren.

    Wir wünschen Ihnen weiterhin viele erlebnisreiche Ausflüge auf der Herzroute!

    Beste Grüsse aus Huttwil

    Evelyne Hollenstein, Herzroute Projektleiterin Tourimsus

  5. Das war jetzt Product Placement vom Feinsten.

    Wie ist das, wenn man in Uetendorf einfährt: Wird man da vom Gemeindepräsidenten persönlich empfangen und aufgepäppelt? Oder rast man da einfach durch und fertig?

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