Infos für Insider (I): „Theater-Zytig“

Gartenfreunde, Segler, Tattoo-Fans und Saunagänger eint eines: Für sie alle gibt es Magazine, die sich mit ihrem Hobby befassen. Das Konzept ist einfach: Leute vom Fach schreiben für Leute vom Fach. Doch was bieten diese Zeitschriften? Wo liegen ihre Stärken? Was sind ihre Schwächen? In loser Folge lese ich mich durch „Special-Interest“-Publikationen aus der Schweiz. Den Auftakt der Serie macht die „Theater-Zytig“.

32 Seiten stark, durchgehend vierfarbig, von vorne bis hinten schön bebildert und sehr sauber redigiert: Falls die „Theater-Zytig“ auch in den anderen zehn Ausgaben dieses Jahres hält, was sie mit der Juli-Nummer verspricht, ist ihre Leserschaft zwischen Januar und Dezember mit gehaltvoller Lektüre versorgt.

Zehn Aufführungen von Laientheatern werden im aktuellen Magazin rezensiert. Fünf Artikel stammen von freien Mitarbeitern, dreimal übernahm die Redaktion Pressetexte des inszenierenden Vereins, zwei Mitteilungen sind unbekannter Herkunft. Die illustrierten Besprechungen und Vorschauen umfassen jeweils eine Seite.

Layouterisch unterscheidet die Redaktion zwischen Eigenleistung und PR-Material: Den von freien Mitarbeitenden verfassten Artikeln wird eine Box mit Angaben zum Stück beigestellt. Am Ende der Medienverlautbarungen steht ein Vermerk auf das in derselben Ausgabe prangende Inserat samt Hinweis auf die Vereins-Website. Mit Blick auf die Leserführung wäre eine einheitliche Darstellung von Vorteil. Doch ob es der Redaktion zeitlich zugemutet werden kann, sich die Daten für das Zusatzgefäss von den jeweiligen Homepages zusammenzuklauben, ist eine andere Frage.

Als Pflichtlektüre für die rund 40 000 Mitglieder des Zentralverbandes Schweizer Volkstheater hat das im 94. Jahrgang erscheinende „Magazin für Theaterinteressierte in der Schweiz“ eine Monopolstellung inne. Chefredaktor Hannes Zaugg-Graf und seine Schreibcrew könnten sich die Arbeit mit verbalen Klopfereien auf die Schultern ihrer schauspielernden Leser folglich einfach machen. Doch von selbstbeweihräucherndem Inzest-Journalismus sind die Autorinnen und Autoren weit entfernt. Stattdessen bemühen sie sich, den Akteuren ein ehrliches und konstruktives Echo auf ihr Wirken zu geben – auch auf das Risiko hin, beim nächsten Besuch beim Verein Sowieso mit betupft hochgezogenen Augenbrauen begrüsst zu werden.

Obwohl sich die mit der Materie offenkundig bestens vertrauten Schreiberinnen und Schreiber an ein ebenso fachkundiges Publikum richten, lesen sich ihre Beiträge locker und leicht. Auch Leute, die mit den Werken und Bühnen nicht sehr vertraut sind, können nachvollziehen, was wieso gelobt und bemängelt wird. Nach jenen hochgeschwurbelten Formulierungen, die in der Kulturliteratur längst gang und gäbe sind,  deren Sinn sich aber  – wenn überhaupt – nur promovierten Kunsthistorikern erschliesst, kann man in der „Theater-Zytig“ lange suchen, ohne verärgert fündig zu werden.

Umso bedauerlicher ist vor diesem Hintergrund, dass den naturgemäss weitgehend kritikfreien Pressemitteilungen gleich viel Platz eingeräumt wird wie den Beiträgen mit distanziert-journalistischem Anspruch. Wenn der Werbetexter der „Erlinsbacher Bühne“ dem Publikum „einen besonderen Leckerbissen“ in Aussicht stellt, darf er das gerne tun; an der Generalversammlung, zum Beispiel, oder im lokalen „Anzeiger“. In der  unterhaltsamen, aber auf Seriosität bedachten „Theater Zytig“ wirken derlei Jubelarien eher deplaziert. Ähnliches gilt im Fall „Freilichtbühne Schwarzenburg“: Dem Regisseur mag es ja schmeicheln, wenn der Öffentlichkeitsarbeiter des Vereins seine Arbeit als „Inbegriff von Feingefühl“ preist und von den vielen „Momenten der Tiefe“ schwärmt, die der Chef mit seiner „Liebe ins Detail“ ermöglicht. Der grosse Teil der Leserschaft blättert beim Anblick von soviel Gesülze kopfschüttelnd weiter.

Immerhin schreibt der Chefredaktor in seinem Editorial selber: „Je glaubhafter meine Bühnenpartner ihre Rollen füllen, desto einfacher ist es, den eigenen Part gut zu spielen.“ Das gilt nicht nur für die Arbeit auf der Bühne; das lässt sich auch auf das Thema „PR-Texte in Fachorganen“ übertragen. Also: Weniger (Pressegeschwafel) wäre eindeutig mehr (Substanz). Aber das würde, natürlich, auch einen grösseren finanziellen Aufwand bedeuten.

Überraschender- und erfreulicherweise erschöpft sich das Angebot der „Theater-Zytig“ nicht in Rezensionen. Den eigentlichen Schwerpunkt der Juli-Ausgabe bildet „Kleist in Thun“. Mit „Der zerbrochene Krug“ verfasste Heinrich von Kleist ein Stück, das sich bei Volkstheatern ungebrochener Beliebheit erfreut. Die „Theater-Zytig“ würdigt den 200. Todestag des Dichters mit dem gekürzten Abdruck eines Vortrages, den Lukas Bärfuss in Thun hielt.  Unter dem TItel „Wie können wir mit den Mitteln des Theaters aktiv etwas bewirken?“ gibt es darüber hinaus einen Rückblick auf den für Lehrer- und Theaterpädagogen organisierten Weltkongress „Drama in Education„. Verbandsmitteilungen, ein doppelseitiges Poster der Verbands-Veteraninnen und Veteranen in der Heftmitte sowie humoristische Reminiszenzen aus vergangenen Theaterzeiten runden den Heftinhalt ab.

 

Die „Theater-Zytig“ auf einen Blick:

Chefredaktor: Hannes Zaugg-Graf, Uetendorf

Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 19

Erscheinungsweise: 11x pro Jahr (Doppelnummer August/September)

Auflage: 3768.

Abonnementspreise: Fr. 59.– für Nichmitglieder, Fr. 44 für Mitglieder des Zentralverbandes Schweizer Volkstheater (ZSV), Fr. 37.– pro Gruppe (ab 20 Exemplaren), Fr. 22.– für Vereine.

Leseprobe: „Soll man dieses Stück heute noch aufführen? Eine gewisse Verstaubtheit lässt sich, trotz grossem und liebevollem Einsatz, einfach nicht kaschieren. Die Uetiker wählten auf jeden Fall den richtigen Ansatz und spielten das Stück in der Zeit, in der es entstanden ist, also um die Jahrhundertwende. (…) Was allerdings der George Clooney und der Strassenstrich am Sihlquai im Text zu suchen hatten, war mir nicht klar.“ (Aus Gerhard Lengens Besprechung von „Pension Schöller“ in der „Schemeli Bühne Reinach“

Weitere Infos: www.theater-zytig.ch

2 Kommentare

  1. Schön, dass da mal ein Journi aus der Welt der „grossen“ Medien einen Blick auf die Theater-Zytig geworfen hat.
    Hannes Zaugg-Graf und sein Team leisten da seit Jahren gute Arbeit. Die interesaanten Berichte zu Themen rund um das Theater können oft wahre Fundgruben sein und nehmen Theaterschaffenden vielfach Arbeit ab, die sie eigentlich verrichten müssten, nämlich die Recherche oder Weiterbildung.
    Die Aufführungsbesprechungen sollen ja nicht ein blosses Beschreiben des Gesehenen sein, sondern eine kritische Beurteilung des Geleisteten. Ich weiss, dass Kritisierte oft mit Unverständnis, Verletztheit, Grollen und Wut reagieren. Dabei ist zu bedenken, dass die Besprechung ja die subjektive, wenn auch fachlich begründete Meinung eines Einzelnen wiedergibt. Es lohnt sich hingegen immer, darüber nachzudenken. Die eigenen Fähigkeiten lassen sich endlos weiter entwickeln, vorausgesetzt, man legt unangebrachte Selbstgefälligkeit ab .
    Die Vorankündigungen müssten meiner Meinung nach auf den Stückinhalt und die Eckdaten Wer, Wann, Wo, Was beschränkt sein. Eine Vorschuss-Verlorbeerung weckt hohe Erwartungen. Und Theaterleute sollten ja eigentlich wissen, dass das Gelingen einer Inszenierung nie garantiert werden kann.
    Trotzdem und noch einmal: die Theater-Zytig und deren Macher verdienen Lob und Anerkennung! Bravo und weiter so!
    Pesche Leu

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