Kein Grund, neidisch zu sein

„Und? Wie gehts dir jetzt?“ – Kaum war heute bekanntgeworden, wer heuer den Literaturnobelpreis erhält, kam ich aus dem Beantworten dieser Frage kaum mehr heraus.

Für jene, die sich noch nicht nach meinem Befinden erkundigen konnten, weil mein Handy und das Festnetz im Büro dauerbesetzt und sämtliche Mailkanäle verstopft waren, wiederhole ich gerne, was ich schon allen anderen erläutert habe: Danke, gut. Kein Problem.

Ich schmolle nicht. Ich bin weder frustriert noch beleidigt noch gekränkt noch sonst etwas in der Richtung.

Es ist einfach so: Wenn alles gelaufen wäre, wie es unserer Meinung nach hätte laufen sollen, sässen mein Vornamensvetter Zaugg – in seiner nigelnagelneuen Rolle als mein Manager – und ich in diesem Moment in einem Strassencafé in Stockholm und würden, wie der total überwältigte Preisgewinner jeweils zu sagen pflegt, „erst mal alles sacken lassen“.

Mit der uns eigenen Perfektion hatten wir unseren Trip geplant: Den ersten Morgenflug nach Schweden, den Stretchlimousinen-Transfer vom Flughafen in ein Hannes-kompatibles Hotel, Abstecher in die angesagtesten Clubs der Stadt. Morgen, späterer Nachmittag: Visite von Königs. Am Samstag: Leichter Lunch, dann Privatkonzert bei den extra für uns wiedervereinigten Abba. Sonntag: Ausgedehnte Parkbummel mit dem weiblichen Personal der schicksten Verlage. Montagmorgen: Fotosafari durch die umliegenden Wälder. Irgendwann schliesslich: Rückflug. Swiss. First Class. Ganz vorne.

Aber dann, aus dem Nichts: Tomas Tranströmer.

Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: Ich neide dem Alten den Preis nicht. Aus irgendeinem Grund wird er ihn verdient haben. Es wäre völlig unangebracht, diesen Typen mit den Riesenohren und dem Megazinken mitten in seinem schweinchenrosa gefärbten Gesicht durch exzessives Herumreiten auf Äusserlichkeiten noch kleiner zu machen, als er aufgrund seines literarischen Outputs schon ist. Es gibt auch keinen Grund, ihn wegen seines Namens zu verunglimpfen, bei dem man unwillkürlich an Waschmaschinen-Zubehör denkt („Ou, Sie. Das sieht schlecht aus. Der Tranströmer ist hinüber. Wir haben aber sehr günstige neue….“.

Was sollte das bringen? Was hätte ich davon? Was würden die Leute von mir denken? Höchstens, dass ich ein schlechter Verlierer sei. Diesen Kratzer in meinem 46 Jahre lang auf Hochglanz polierten Image wegzuwischen: Das würde nicht einmal Roland Binz am besten Arbeitstag seines Lebens schaffen.

Doch dass mir der Ausflug entgeht: Das wurmt mich wirklich. Aber auch diesbezüglich mag ich nicht ausufernd klagen. Hannes und sehen uns so oder so bald. Und später schon wieder.

Und überhaupt: Wenn ich preismässig schon 1985, 1986, 1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 übergangen wurde, kommt es auf einmal mehr nicht mehr an.

Meine Chancen sind ja intakt. Solange das Komitee nur Schreiberlinge auszeichnet, die ausserhalb obskurer Buchläden in versifften Altstadtgassen und abgesehen von ein paar Blog-Lesern kein Mensch kennt, kann ich gelassen davon ausgehen, mein Stockholm-Reisli irgendwann doch noch antreten zu dürfen.

2 Kommentare

  1. Sag mal, Hannes, warum gibt’s hier keinen FB-„Like“-Button?

    Danke für den Hinweis. Ist erledigt.

    Letztes Mal, als ich den installiert hatte, wurde der Blog geschätzte 20 Mal langsamer. Dann hab ich ihn wieder rausgenommen. Jetzt schaun‘ ma mal.

    Nachtrag: Ich merke gerade – das geht nicht. Dieses Plugin verklemmt den ganzen Blog. Ich nehms wieder raus. Wer etwas liked, kann ja direkt auf Facebook klicken. Meist verlinkt ich den Blog ja dort. Und auf Gugelplus.

  2. Ich werde dem Komitee noch einmal deine Kurzgeschichte schicken. Wahrscheinlich ist sie nur einfach untergegangen. Und die Reservation in Stockholm konnte ich auf nächstes Jahr verschieben.

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