Kein Problem

„Mich regen diese Plakate für Kleinkredite so auf, dass ich ein bisschen gebastelt habe“, notierte der Uetendorfer Fotograf Hannes Zaugg-Graf gestern auf Facebook (wo er seit Neustem auch eine eigene Seite zum Thema betreut).

Seine „Bastelarbeiten“ sehen so aus:

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(Zum Vergrössern: Einfach draufklicken)

Weil mich diese Werbung ebenfalls seit einem geraumen Weilchen massiv stört, erzähle ich jetzt einmal eine kleine Geschichte:

Der junge Mann – er war vor Kurzem 30 geworden – hatte in den letzten zehn Jahren einen grossen Schuldenberg aufgetürmt. Jetzt waren die Steuern fällig, und der Mann hatte keine Ahnung, wie er sie bezahlen soll.

Beim Gang durch die Stadt waren ihm schon oft die Plakate einer Bank aufgefallen. Was genau auf den Plakaten stand, weiss der Mann heute nicht mehr genau. Sinngemäss rief die Bank den Leuten auf Schritt und Tritt zu, wenn sie im Fall einmal Geld benötigen würden – sie, die Bank, helfe ihnen noch so gerne und auf der Stelle.

Ohne lange zu überlegen, betrat der junge Mann die Freiburger Filiale der Bank. Der Schalterraum unterschied sich von Schalterräumen anderer Banken insofern, als er aus fünf oder sechs Kabäuschen bestand. Über deren Türen leuchteten rote Lämpchen, wie im Puff.

Der junge Mann setzte sich auf einen unbequemen Stuhl an der Wand und wartete ein Weilchen. Dann ging eine Türe auf. Eine alte Frau kam heraus. Wortlos schlurfte sie an dem Mann vorbei. Das Lämpchen wechselte auf grün. Der junge Mann ging hinein.

Kaum war die Türe hinter ihm lautlos ins Schloss gefallen, wurde er von einem sehr entspannt wirkenden Herrn begrüsst, der sich lächelnd danach erkundigte, was er für den jungen Mann tun dürfe. Der Mann sagte, er brauche Geld, und zwar möglichst sofort, worauf der entspannte Herr sagte, kein Problem, wieviel es denn sein soll.

So und soviel, sagte der junge Mann. Das können wir machen, sagte der Bankmensch, und schlug vor, die Summe auf die nächsthöheren zehntausend Franken aufzurunden. Super, dachte der junge Mann, und übergab dem Bankmenschen die Identitätskarte und eine Lohnbestätigung.

Eine halbe Stunde später verliess der junge Mann den kleinen Raum mit zwanzigtausend Franken in der Jackentasche. Als sich der Tag dem Ende zuneigte, waren die Steuern und zwei, drei andere überdringliche Fälligkeiten beglichen. Die meisten Gläubiger warteten allerdings weiter auf ihr Geld.

Ziemlich genau ein Jahr danach war der Schuldenberg dermassen angewachsen, dass der junge Mann keine Chance mehr hatte, dahinter zu sehen. Die riesigen Plakate der Bank hingen immer noch an jeder zweiten Hauswand, und der junge Mann dachte, warum auch nicht?

Er ging zum zweiten Mal in die Bank, wartete noch einmal, bis eines der Lämpchen über der Türe grün wurde und bat den selben Mann am Schalter noch einmal um Geld. Der Bankmensch liess sich noch einmal die ID und einen Lohnausweis geben, sagte noch einmal, das sei kein Problem, schlug erneut vor, doch grad zwanzig- oder dreissigtausend zu nehmen und händigte dem jungen Mann das Notenbündel, wie schon beim ersten Mal, ohne Weiteres aus, obwohl der erste Kredit noch längst nicht getilgt war.

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Irgendwann sah sich der junge Mann ausserstande, die beiden Kleinkredite wie vereinbart abzuzahlen. Die Bank fackelte nicht lange und leitete die Betreibungen ein.

Von dem Moment an, in dem der Amtsweibel zum ersten Mal in der Wohnung des jungen Mannes stand, um sicherzugehen, dass dort keine Goldreserven, Aktienpakete oder teure Bilder versteckt sind, gings ganz schnell: Hosen runter, Lohnpfändung, Existenzminimum. Die Besuche des Weibels wurden für den jungen Mann zur Routine.

Über vier Jahre lang lebte er von der Hand in den Mund. Als er, mit Hilfe einer Schuldenberatungsstelle, alle Ausstände beglichen hatte, war ihm, als ob die Sonne durch eine dicke Nebelbank gedrückt wäre. Seine Welt war wieder farbig statt grau und warm statt kühl.

Die Bank, die ihm damals so unbürokratisch „geholfen“ hatte, hat ihren Namen inzwischen geändert. Doch ihre Plakate hängen immer noch überall. Sie sehen ein wenig anders aus, irgendwie noch verlockender, und sprechen jetzt auch sehr junge Menschen an.

Geblieben ist das Versprechen: Was immer du willst oder brauchst: Wir geben dir das Geld dafür. Sofort – und ohne lästige Fragen zu stellen.

Der heute 47jährige Mann ist ganz sicher: In dieser Bank leuchten die Lämpchen über den Türen noch immer den ganzen Tag rot.

Nachtrag: Das Thema „Kleinkredite“ beschäftigt offensichtlich sehr viele: Dieser Beitrag wurde in wenigen Stunden von weit über 600 Leuten gelesen.

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