Luxusprobleme im Zimmer 135

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Irgendwie nützt einem das schönste Hotelzimmer nichts, wenn mans alleine bewohnt.

Aus dem schicken Flachbildfernseher dudelt Blues, der klingt, als ob eine Roboterband auf einer Eisscholle spielen würde. Vom Flur her dringt kein Laut in den Raum.

Draussen, vor dem Fenster, läuft ein seltsamer Film: Drei Polizisten unterhalten sich stumm miteinander. Autos verschwinden geräuschlos ins Parkhaus. Alle zwei oder drei Minuten steigt still ein Flugzeug in den Himmel.

Erst seit anderthalb Stunden bin ich hier, und doch kommt es mir vor, als ob ich schon den ganzen Tag in diesen vier Wänden verbracht hätte.

Den riesigen Kaffeekocher, die Duftstäbli, die grob geschätzt zwei Dutzend weissen Handtücher in allen Grössen, die Schalter für die Lampen und die Lüftung und den Kleiderschrank und die Minibar: All das habe ich längst entdeckt und ausprobiert.

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Zu meckern gibts also nichts, eigentlich, doch wenn ich morgen sehr früh auschecke, werde ich kaum von dem Luxus profitiert haben, den mir die Direktion der Radisson Blu-Kette im Zimmer 135 zur Verfügung stellt (wobei „zur Verfügung stellt“ bei Übernachtungspreisen von 165 Franken vielleicht nicht der perfekt passende Ausdruck ist. Aber im Moment fällt mir kein besserer ein).

Etwas fehlt sehr, oder vielmehr: jemand, aber das ist jetzt halt so und nicht zu ändern, und irgendwie ist das auch gar nicht so schlimm. In gut einer Woche sehen wir uns ja schon wieder, und in der Zeit zwischen jetzt und dann wird sie ihre Ferien in Frankreich genauso geniessen wie ich die meinen auf Gran Canaria.

So betrachtet, wäre das alles fast gar kein Problem, wenn nicht…wenn ich mich in diesem Raum, in dem auch hartgesottenste Milben null Überlebenschancen haben dürften und in dem, wie ich augenbrauehochziehend soeben registrieren muss, keine einzige Pflanze steht, nicht langsam, aber sicher fühlen würde wie der berühmte Vogel in seinem goldenen Käfig.

Aber unten, im Parterre, hats eine Bar und ein Restaurant. Dort sind Leute, die ich zwar weder kenne noch kennenlernen will, dort ist Betrieb, dort ist Leben.

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Dort gehe ich jetzt hin. Ich klappe den Laptop zusammen, ziehe die Karte aus dem Schlitz neben der Türe, schlurfe den endlosen Gang entlang zum Lift, fahre am neonleuchtenden Weinflaschenturm vorbei nach unten…

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…und stelle, noch bevor mir der Kellner das Cola Zero serviert, fest, dass tatsächlich noch  Trostloseres denkbar ist als solo ein Zweierhotelzimmer zu belegen: An einem Freitagabend in der ebenso anonymen wie sterilen Bar eines Flughafenhotels zu sitzen, Xylophonkängen aus unsichtbaren Lautsprechern ausgesetzt zu sein (bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, dass ich dem Thema „Xylophon“ unbedingt einmal einen eigenen Beitrag widmen muss. Das Xylophon ist nämlich eine der übelsten Erfindungen überhaupt. Meine Abneigung gegen dieses Instrument rührt vermutlich aus frühesten Kindertagen her. Wenn wir im Familienkreise am Samstagabend „Teleboy“ oder eine artverwandte TV-Show guckten, trat mit bemühender Regelmässigkeit ein gewisser Ralph Heid auf, der von Kurt Felix, Hans-Joachim Klenkampff, Hans Rosenthal und wie die Helden der Moderation damals alle hiessen, jeweils als „schnellster Xylophonist der Welt“ angepriesen wurde, immer dasselbe verdammte Stück spielte und dazu einfältig grinste. Das wärs jetzt schon gewesen, was das Xylophon betrifft. Den separaten Text dazu kann ich mir folglich sparen; viel mehr kann da nicht mehr kommen.) und zu…Moment, ich habe den Faden gleich wieder… genau: und zu wissen, dass es zum Veröden in der Hotelbar im Grunde nur eine Alternative gibt:

Wieder in 135 hochzufahren, zur schockgefrorenen Musik und dem hippen Schmöckizeug im Glas, und auf den nächsten Morgen zu warten.

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