Mythen und Musik

„Wahnsinnig“, „unbeschreiblich“, „sagenhaft“, „imposant“, „gigantisch“, „phänomenal“: Wer am Rande des Grand Canyon steht, sucht automatisch nach Worten, die beschreiben, was er oder sie gerade sieht.

450 Kilometer lang, bis zu 30 Kilometer breit und stellenweise 1800 Meter tief: Die „technischen Daten“ der Schlucht, die der Colorado-River während Millionen von Jahren ins Land gegraben hat, sind, eigentlich, schon eindrücklich genug.

Nur: Dieses Steintal, das weder einen Anfang noch ein Ende zu haben scheint, einmal „live“ bestaunen zu dürfen – das liegt meilenweit jenseits des üblichen Sehenswürdigkeitenabklopfens.

Das hat etwas Mythisches.

Ähnliches gilt für die Route 66. Die einst knapp 4000 Kilometer lange Strasse führt von Chicago an der amerikanischen Ost- nach Santa Monica an der Westküste. Sie ist zwar nicht mehr durchgehend befahrbar, hat aber bei Menschen, die sich vorzugsweise auf schweren Töffs und noch vorzugsweiser auf Maschinen der Marke Harley Davidson fortbewegen, nichts von ihrem Legenden-Nimbus eingebüsst.

Williams im Bundesstaat Arizona, wo wir unsere letzten zwei Nächte verbrachten, liegt an dieser Strecke. Die 3000 Einwohnerinnen und Einwohner geben alles, um sich von dem offensichtlich immer noch sehr wertvollen Kuchen mit der „66“-Glasur das eine und andere Brösmeli zu sichern, wie ein Gang entlang der Hauptstrasse zeigt:

Die Route 66 ist jedoch nicht ganz das einzige, was Williams zu bieten hat. Zu den Sehens-, bzw. Hörenswürdigkeiten zählt auch John Carpino. Der Singer/Songwriter bedient sein Publikum „with an impressive blend of acoustic rock, roots, rhythm and truth“, wie er selber sagt, und wurde nun schon zum 14. Mal in Folge zum „best local musician“ erkoren.

Wir erlebten den gmögigen Ex-Lehrer auf einer kleinen Bühne neben unserem Tisch in Goldie’s Route 66 Diner. Mit vielen Eigenkompositionen – eine davon widmete er seinem Hund, was ihm von uns spontan mindestens 10 000 Bonuspunkte einbrachte – und Coverversionen zeitloser Hits von Johnny Cash, Simon & Garfunkel, The Doors, The Animals, den Beatles undsoweiterundsofort; es war chli wie im Paradies für hoffnungslose Musiknostalgiker, sorgte er für einen wunderschönen Abend.

Den Wunsch seiner vier neuen friends of Switzerland erfüllte er gerne:

„You can check out anytime you like, but you can never leave“: Was für die Gäste des – ebenfalls von unzähligen Mythen umrankten – „Hotel California“ ein Problem sein mag, ist für uns kein Thema: Wir verlassen Williams in wenigen Stunden in Richtung Las Vegas.

Dort war ich noch nie, aber nach allem, was man schon so von Freunden gehört, in Büchern und Reportagen gelesen und in Filmen gesehen hat, gilt auch und ganz besonders für diese Stadt:

This could be heaven. Or this could be hell.

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