Notizen aus dem Morgenland (X)

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Kurz nach Mitternacht muss ich für kleine Jungs. Neben mir bummelt meine Frau entspannt durch ihr Land der Träume. Ich will Chantal nicht wecken und verzichte deshalb darauf, das Licht anzumachen. Im Dunkeln tappe ich um das Bett herum und am Kleiderschrank vorbei. Auf der Höhe des Kaffeewasserkochers biege ich links ab; dann bin ich im Bad.

Mit der Routine des gelernten Sitzpinklers lasse ich mich auf dem kühlen Porzellan nieder. Doch kaum habe ich damit begonnen, den Dingen ihren Lauf zu lassen, stelle ich fest, dass ich mich aus Versehen auf das Bidet statt auf die Toilettenschüssel gesetzt habe.

Also wechsle ich vom kleinen auf den grossen Thron und mache auf diesem klar Schiff. In den Moment, in dem ich wieder ins Schlafgemach huschen will, entsinne ich mich der paar Tröpfli im Bidet. Auch diese gehören selbstverständlich beseitigt, nur: wie?

Um mir Klarheit darüber zu verschaffen, beuge ich mich über das für mich ungewohnte Körpersaftentsorgungsgerät. Mit der rechten Hand stütze ich mich auf dem Rand ab, mit der linken taste ich nach einem Schalter oder Hebel oder etwas zum Draufdrücken. Ein Knopf gerät mir zwischen die Finger. Ich drehe ihn auf, und zwar voll; wies Männer halt machen, wenn sie etwas ausprobieren und nicht genau wissen, wies geht.

Sekundenbruchteile später schiesst, wie von einem Gewehr abgefeuert, ein dicker, harter Strahl omanischer Spülflüssigkeit in mein linkes Auge. Reflexartig reisse ich den Kopf zurück, worauf die Fontäne an mir vorbeirast, donnernd an die Decke klatscht und sich von dort aus in unzähligen Ministurzbächen auf die Fliesen ergiesst.

Mit einem schmerzenden Sehorgan und innerlich wie ein Muslim fluchend, der zwei Tage vor Ramadanende durch ein Heer von beminirockten Serviertöchtern an einem sich unter Fleischbergen biegenden Buffet vorbeigehen muss, mache ich mich daran, den Boden zu trocknen. Dafür benötige ich eine Rolle Toilettenpapier. Auf die Idee, dafür ein Frottiertuch zu verwenden, komme ich als posttraumatisch Frischgestörter gar nicht.

Endlich zurück im Bett, nehme ich zur Kenntnis, dass meine Frau immer noch schläft. Sie hat offensichtlich nichts mitbekommen von dem Drama (andere würden vielleicht sagen, „von der Komödie“, aber das ist jetzt weder die Zeit noch der Ort für Schadenfreude), das sich nur zwei Meter Luftlinie von ihr entfernt soeben abgespielt hat.

Als mein Schatz Stunden später ins Badezimmer schlurft, ist darin alles tupfgenaugleich wie am Abend zuvor. Auch das Bidet lässt keine Anzeichen von Verhaltensauffälligkeiten erkennen, ganz im Gegenteil: Rein und weiss und blankpoliert wirkt es wie ein zwischen die Wanne und das Klo modelliertes Symbol der Unschuld.

Aber es und ich wissen: Wir sind noch nicht fertig miteinander. Ich habe bei ihm noch etwas offen. Vielleicht gönne ich mir zum Znacht ein extrafeuriges Chili con Carne – mit einer Riesenportion Bohnen.

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