Abschied ohne Tränen

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Was den einen der Frühlingsputz ihrer Wohnung, ist mir die Herbstausmistete meiner Freundesliste auf Facebook: 116 Damen und Herren löschte ich in den letzten Wochen mit einem Mausklick aus meinem virtuellen Bekanntenkreis.

Der Säuberungsaktion zum Opfer (wobei: „Opfer“ ist in diesem Zusammenhang ein grosses Wort; ich weiss) fielen zuerst all jene Voyeure und Voyeusen, die immer nur lesen, was andere schreiben, aber nie selber etwas über sich berichten. Ihnen folgten mehrere Leute, die ununterbrochen Dinge posten, die mich nicht interessieren. Am Schluss entledigte ich mich noch einiger Nervensägen, die mir irgendwann von irgendwoher zugelaufen waren und von denen ich auch Jahre später keine Ahnung hatte, was ich mit ihnen zu tun haben könnte oder zu tun haben möchte.

Aktuell umfasst mein Facebook-Freundeskreis jetzt noch knapp 200 Personen. Die meisten von ihnen kenne ich persönlich, und mit jenen, mit denen ich bisher keinen direkten Kontakt hatte, könnte ich mir ohne Weiteres vorstellen, zumindest einmal einen Kaffee trinken zu gehen. Ihre Texte, Bilder und Filmchen bringen mich zum Schmunzeln, Staunen, Kopfschütteln undoder Nachdenken. Sie geben mir manchmal Feedbacks, diskutieren gerne auch Nebensächliches und tragen mit ihren Aktivitäten und ihrem Interesse, kurz gesagt, einiges dazu bei, dass ich mich in der Online-Welt meist rundum wohlfühle.

Bemerkenswert ist: Einige meiner nun ehemaligen „Freundinnen“ und „Freunde“ habe ich in der Zwischenzeit live getroffen. Keinem und keiner einzigen von ihnen scheint aufgefallen zu sein, was ihm oder ihr widerfahren ist. Über die Entrümpelung hat sich jedenfalls kein Mensch beklagt oder auch nur gewundert.

Entweder hat also noch niemand mitbekommen, dass er oder sie für mich nur noch am Rande existiert, oder dann ist es den Gelöschten egal, dass sie in meinem Leben keine Rolle mehr spielen. Im Ergebnis läuft beides auf dasselbe hinaus: Die Trauer über den Verlust hält sich hüben wie drüben in sehr überschaubaren Grenzen.

Einfach so

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Wenn der Lokomotivführer nach der Abfahrt in Bern nur ein bisschen mehr Gas(?) gegeben hätte, hätte es die Billetkontrolleurin bis zur Einfahrt in Burgdorf nicht mehr bis zu mir geschafft. Das wäre mir insofern nicht ungelegen gekommen, als ich vergessen hatte, ein Billet zu lösen.

Der Lokomotivführer nimmts mit dem Tempo aber sehr genau, und deshalb steht die Kontrolleurin jetzt, nur wenige hundert Meter vor dem rettenden Ufer Bahnhof, vor mir.

Also knipse ich den treuherzigsten Blick an, den ich auf die Schnelle im Repertoire finden kann, und sage halblaut:

„Mist. Das wird teuer.“

„Wieso meinen Sie?“, fragt die Kontrolleurin.

„Ich habe kein Billet. Sonst habe ich immer eins, nur heute nicht.“

„Haben Sie einen Ausweis dabei? Das Halbtax oder so?“

„Ich habe alles: Halbtax, Streckenabo, Liberoabo, ID, zwei Kafipässe vom Kiosk und vom Spettacolo, Bankkarten, einfach alles, ausser dem Billet, leider.“

„Das ist ja nicht schlecht. Können Sie mir kurz das Halbtax…“

„…klar! Hier!“

(Die Kontrolleurin betrachtet das Abo, greift zur Umhängemaschine und beginnt zu tippen.)

„Fahren Sie einfach oder retour?“

„Einfach.“

„Und nur bis Burgdorf?“

„Ja.“

„Ab Bern.“

„Ja.“

„Gut.“

„Wie mans nimmt. Das wird die teuerste Einfachfahrt aller Zeiten.“

„Nein, nein. Macht fünf Franken.“

„Was? Nur…?“

„Jaja. Wir können so Sachen auch so erledigen.“

„Oho! Heute ist mein Glückstag. Dankedanke!“

„Kein Problem. Einen schönen Tag noch.“

„Läck, das fägt!“

Was für eine Premiere: Bei ihrem ersten Auftritt in der legendären Mühle Hunziken sorgen die Halunke für offene Münder, freudenfeuchte Augen und wackelnde Ohren. Die Taufe ihrer dritten CD „Grammophon“ gerät zu seinem zweieinhalbstündigen Fest für die Liebhaberinnen und Liebhaber von klug arrangierter und liebevoll betexteter Berner Mundartmusik.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht, als mit „Nimm nume“ auch die allerletzte Zugabe verklungen ist, strömen die Menschen durchgeschwitzt und lächelnd aus der Mühle Hunziken am Rande von Rubigen, in der in den letzten Jahrzehnten schon zig hochkarätige Musiker aus der ganzen Welt für magische Momente gesorgt haben. „Läck, das fägt“, sagen sie, oder „das isch ja wahnsinnig xii“, oder „das isch denn hittig.“

Mit „das“ meinen alle dasselbe: Die Musik der Halunke. Drei CDs – „Souerei“, „Houston, we are ok“ und „Grammophon“ – sind von der Band um Gründer, Komponist, Texter und Produzent Christian Häni bereits erschienen. Den ganz grossen Durchbruch auf dem hartumkämpften Mundartmarkt haben Häni, Simon Rupp (Gitarre), Marco Mazotti (Bass) und Christian Berger (Drums) in den vergangenen vier Jahren noch nicht geschafft. Doch mit Darbietungen wie jener, die ihnen an diesem Samstag mit der Taufe ihres jüngsten Werks „Grammophon“ gelungen ist, werden die Halunke nadisna fast ganz von alleine zu den ganz Grossen aufschliessen.

Aus einem Guss

Sieben Mann stehen auf der Bühne, um live umzusetzen, was Häni und seine Frau Anja für „Grammophon“ im Alleingang eingespielt haben. Die um zwei Bläser (Thomas Knuchel und Daniel Durrer) plus einen Keyboarder (Manuel Halter) verstärkten Halunke sind Profis genug, um das Solowerk ihrer Chefs klingen zu lassen, als ob es sich um eine gemeinsam konzipierte und eingespielte Produktion handeln würde. „Musig“, „Guatemala“, „Bye Bye“, „Elefante“, „Jackpot“ oder die aktuelle Single „Nidohnidi“ wirken wie aus einem Guss.

Abgerundet wird das Set mit älteren Nummern wie „Houston, we are ok“, „Gar ke Zyt“, „Kasseschlager“, „Hand ids Muul“, „Boulevard“, „100 Millionewatt“ oder „Me Meer“, und wenn man so dasitzt oder -steht und den kunterbunten Songreigen geniesst, fällt einem auf einmal auf, wieviele kleine Diamanten diese Truppe in ihrer vergleichsweise kurzen Geschichte schon geschliffen hat.

Auch Büne Huber von Patent Ochsner – mit Polo Hofer und Kuno Lauener von Züri West eines der Urgesteine der Berner Mundartszene – scheint neidlos zu anerkennen, dass ihm aus dem jungen Rudel ernstzunehmende Konkurrenz erwächst. Dass er seinen Ü100-Kilokörper während der Plattentaufe von der Mühle-Empore ins Parterre hinunterwuchtet, um mit Christian Häni in einem der ruhigeren Momente dieser denkwürdigen Nacht seinen Uralthit „Ludmilla“ vorzutragen, zeugt von dem Respekt, den der alte Leitwolf seinem potenziellen Nachfolger entgegenbringt.

Setlist Plattentaufe Mühle Hunziken

1. Next level
2. Hand ids Muul
3. Nidohnidi
4. Elefante
5. Houston we are ok
6. Bigengdawodunidbisch
7. Gar ke Zyt
8. Me Meer
9. Wo isch äch dr Summer
10. Jackpot
11. Musig

(Pause)

12. Guatemala
13. Ludmilla
14. Mini Stadt
15. Bye Bye
16. Pinocchio
17. Boulevard
18. Affebande

(Zugaben)

19. Kasseschlager
20. 100 Millionwwatt
21. Nimm nume

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Weitere Konzerte

Samstag, 25. Oktober: Nordportal, Baden

Freitag, 14. November: Braui-Center, Langenthal

Habe die Ehre

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„Import – Export“: So lautet das Motto der 11. Burgdorfer Krimitage. Vom 31. Oktober bis am 9. November regieren in „meiner“ Stadt zig zwielichtige Figuren aus der Halb- und Unterwelt. Daneben ermöglichen echte Ermittler Einblicke in ihre Arbeit.

Bernhard-Aichner

Zu den „Importen“ zählt auch der Tiroler Autor Bernhard Aichner. Für seine „Leichenspiele“ erhält er am Samstag, 1. November, im Casino Theater Burgdorf den mit 5000 Franken dotierten Krimipreis „meiner“ Stadt.

Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, an jenem Abend die Laudatio auf den Österreicher, der mit seiner „Totenfrau“ seit Monaten für internationales Aufsehen in der Branche sorgt, halten zu dürfen.

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Die Rede ist fixfertig und selbst für die Experten von der NSA unerreichbar in diversen elektronischen Speichern abgelegt. Für jene, dies heute schon wunder nimmt, was ich in zwei Wochen sage – hier ist das Manuskript der Ansprache:

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(Aus spannungsaufrechterhaltungstechnischen Gründen veröffentliche ich vorläufig nur die Rückseiten des Textes. Die Vorderseiten stelle ich am 2. November online, dies vor allem zK. jener Medienschaffenden, die „aus Zeitgründen“ nicht an der Preisübergabe teilnehmen können und trotzdem darüber berichten wollen, als ob sie vor Ort gewesen wären).

Wer Aichner live erleben möchte, kann das am Sonntag, 2. November tun. Dann liest er im Casino-Theater aus seinem in jeder Beziehung höchst ungewöhnlichen Werk vor. Ich werde den Anlass moderieren und hoffe, bei dieser Gelegenheit das eine oder andere Erfolgsgeheimnis des Autors lüften zu können.

Denn einmal als Einwohner von Burgdorf den Krimipreis der tollsten Stadt nördlich von Sydney zu gewinnen: Das wäre schon eine sehr gefreute Sache.

Zum Vorverkauf (für alle Veranstaltungen) gehts hier entlang.