Mein Schatz machts mit links

Bevor ich das „bevor“ am Anfang dieser Zeile schrieb, war ich finster entschlossen, chli über die erste Etappe unserer Reise in den australischen Norden zu berichten. Wir wir ein Auto mieteten, ohne meinen den Pass des Kreditkarteninhabers dabeizuhaben, wie wir ungefähr zwei Stunden benötigten, um aus Sydney herauszuzirkeln und eine weitere Stunde dafür verwandten, in Newcastle ein Hotel zu finden und wie wunderbar die Aussicht von „Noah’s on the beach“ auf den Hafen jetzt, im weichen Abendlicht ist…

…aber erstens musswill ich jetzt notfallmässig unter die Dusche, zweitens knurrt mein Magen ziemlich laut nach Seafood – und drittens (oder nein: erstens) ist heute eigentlich sowieso nur etwas wirklich erwähnens- und bestaunens-, um nicht zu sagen: bewundernswert: dass und wie locker
Chantal es schaffte, sich schwuppdiwupp an die hiesigen Verkehrsgepflogenheiten (Linksverkehr und gnadenlose Lastwagenchaffeure) anzupassen.

Wir erreichten Newcastle nach knapp 200 Kilometern auf Autobahnen und Quartiersträsschen ohne das kleinste Kratzerchen in unserem dunkelblauen Japanerli. Das ist, denke ich, einen dicken Applaus wert, sehr verehrte Damen und Herren – auch wenn ihn die Beklatschte kaum hören wird, weil sie, nachdem sie den Wagen in der Garage versorgt hatte, fast auf der Stelle in einen komaähnlichen Tiefschlaf fiel.

Jetzt gehe ich sie wecken – no risk, no fun – und schreibe morgen weiter. Wenn wir mit links wieder ein paar hundert Kilometer weitergekommen sind.

…and loose goes it!

Mit ein paar Runden Barfuss-Bowling (das gehört flächendeckend und subito auch in der Schweiz eingeführt) haben wir uns für unseren zehntägigen Trip an der Ostküste fitgemacht. Und jetzt gehts los: Gleich holen wir das Mietauto und tuckern zu den Koalas, den Kängurus, den Delfinen, den Krokodilen und den Haien. Geplant haben wir nichts. Wir nehmen, was auch immer wann und wie kommt.

Am 17. sind wir zurück in Sydney, um mit all den Leuten hier Chantals Geburi zu feiern. Anschliessend…keine Ahnung. Wahrscheinlich verschwinden wir nochmals für ein paar Tage. Dann ist Weihnachten – und hier endgültig der Hochsommer ausgebrochen:-)).

(Bild: Chantal)

In der grossen Stadt

Gestern waren Chantal, Marion und ich in Sydney. Chantals Cousin Eric führte uns herum. Am Anfang tröpfelte es, aber es hörte wieder auf. Zuerst liefen wir eine halbe Stunde bis zum Bahnhof. Dort nahmen wir den Zug. Dann stiegen wir aus. Dann liefen wir wieder. Dann waren wir im Newtownquartier und assen Zmorge. Es gab alles. Ich hatte Eier mit Spinat und Griechenkäse und einen Long Black. Das ist ein Kaffee und nichts zum Ausschaffen.

Vor dem Zmorge waren wir übrigens in einem anderen Lokal. Es sah aus wie ein Bistro, nur ohne Franzosen. Wir sahen einen


Hund mit einem verchrügleten Gesicht.

Ich fand, den könnte man beim Chinesen um die Ecke abgeben, aber Chantal sagte, der sei herzig und sie wolle auch so einen haben. Chantal ist doof.

Nachher gingen wir auf einen Markt. Es hatte nichts Gescheites, nur Plastikzeug und Jesusse am Kreuz und Sachen, die wo die Alternativen basteln, wenn es ihnen langweilig ist, weil sie kein Haschisch mehr haben. Dann fuhren wir mit dem Bus in ein anderes Quartier, in dem wo vor allem Leute wohnen, die nicht mehr unbedingt die allerjüngsten sind und die es gerne chli ruhiger haben und in dem es


eine Bar

hat, in die Eric früher immer ging, als er noch nicht fast 28 war.

Die Leute in der Bar waren lieb. Es hatte ein Skateboard auf einem Schrank und ein Muse-Plakat an der Wand und ein Mischpult und Bilder im WC und ein Hefli mit einer Ironmaidenreklame. Die Eingeborenen hörten Musik von einer Band, die heisst „The Nations“ und ich dachte, die muss ich haben, unbedingt. Die anderen tranken Bier und ich Cola Zero. Dann spazierten wir langelange bis zur Uni und noch weiter und sahen

im Park

eine tote Fledermaus am Boden. Ich glaube, ihr Pfeifsystem war kaputt, drum flog sie zackbumm voll in den Baum und fertig.

Dann liefen wir weiter und als ich schon glaubte, am Stadtrand von Burgdorf zu sein, sagte Eric zu mir, ich müsse mal schauen, hier sei das Paradies. Aber es war gar nicht das Paradies, nur ein megagigagrosses Massaschezenter mit Happy ending und allem. Chantal sagte, gang nur, aber ich ging nicht.

Auf einem anderen Markt hatte es viele Chinesen und Asiaten und auch Australier. Chantal kaufte mir ein frauenfeindliches Tiischi. Chantal ist überhaupt nicht doof. Dann liefen wir in die Kings Road. Eric sagte, dass hier immer Schwule und Lesben wohnen, doch ich hatte eigentlich überhaupt gar keine Angst. Wir gingen in einen Musikladen, der „The National“ hatte und ich kaufte sie auf der Stelle. Leider habe ich hier keinen CD-Player, nur den iPod und das iPhone und das iPad mit 64 Giga.

Am späteren Nachmittag schauten wir in einem


Teeladen

vorbei und spazierten in eine andere Bar und dann in die Beiz, in der


Eric arbeitet.

Sie heisst „Bloodwood“, was mir irgendwie sehr gefällt. Dort kamen wir scharfe Drinks mit Ingwer und Kraschteis drin über. Am Ende assen wir in einem afrikanischen Restaurant afrikanisches Essen. Es war superduper! Zum Dessert gingen wir in ein hippes Restaurant mit uuuufeinen Schoggikuchen und lebendigen Tieren an den Wänden. Eric sagte, das ist überall so, wegen dem Meer. Dann liefen wir zum Bahnhof und fuhren von der Innenstadt nach Strathfield. Dort nahmen wir ein Taxi, das wo uns nach Hause brachte.

(Die meisten Bilder hat Chantal geschossen.)

Kurz vor Schluss

(Getippt in aller Eile, im strömenden Regen, auf dem Dach)

Bevor wir alle ertrinken, nur noch kurz:

– Chantal und ich kochten gestern eine Paëlla für neun Personen. Falls sich jemand beklagt haben sollte, dann in einem Dialekt, den wir nicht verstehen (ja: Wir haben noch nicht alle australischen Sprachnuancen im Griff. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr).

– Wie auch immer die Abstimmungen über die Leute mit Migrationshintergrund und die Steuersache ausgegangen sein mögen: Die Resultate interessieren hier, 20 000 Kilometer vom nächsten Ausschaffungsgefängnis entfernt, kein Opossum. Dasselbe gilt für Jörg Kachelmann, die BaZ und Doris Calmy-Sommaruga. Ich selber bin leider noch nicht dazugekommen, mich aufzudatieren. Ich habe auch nicht vor, die paar Minuten, die mir bleiben (wo ist eigentlich Chantal? Eben sah ich sie noch am Kamin festgeklammert.) mit der Lektüre von Onlinezeitungen zu verplempern.

-Ein Päckli Camel kostet hier 17 Stutz.

– Ein chinesischer Flisöl benötigte keine Viertelstunde, um mich optisch zu


perfektionieren.

Kosten: 10 Franken. Denkt drüber nach, Schweizer Coiffeure.

– Unsere Zeit bei dieser wundervoll schrägen und liebevoll chaotischen Grossfamilie neigt sich auch ohne Sintflut dem Ende zu. Unter anderen Umständen könnten wir heute noch mit Chantals Cousin Eric zum Szenewatching in die Stadt fahren und am Abend durch die Musikclubs streifen. Für Dienstag hatten wir dann den Aufbruch zu unserem zehntägigen Fährtli entlang der Ostküste geplant. Die Haie und Quallen sind jetzt ganz nahe am Land; es wäre also recht interessant geworden; auch für die Haie. Am 15. wären wir für Chantals Geburifeier nach Sydney zurückgekehrt. Anschliessend hätten wir unseren Trip bis Weihnachten fortsetzen wollen. Aber ich merke gerade: Je Regen, desto Konjunktiv. Und der Platz am Kamin ist jetzt wirklich frei.

– An manche Dinge gewöhnt man sich hier nie:

Hai noon

Während ich nach meiner Niederlage im heroischen Kampf gegen den Jetlag in einem sechsstündigen Mittagsschläfchen versank, tauchten


Chantal

(im Bild* beim Verzehr des ersten Pancakes ihres Lebens) und ihre unblutig Verwandte


Marion

in die faszinierenden Unterwasserwelten des gigantischen Sydney-Aquariums ab:

Anschliessend nahm

Cousin Eric

die Damen mit auf einen Bummel durch den Hafen



Der Ausflug machte auch dem Fremdenführer sichtlich Spass:

* Dieser Blick…dieser Blick…genau: