Schlammschlacht ohne Ende

Das stand über Jörg Kachelmanns Zivilprozess gegen seine Ex-Geliebte Claudia D. auf Spiegel online:

„Kachelmann sucht die Öffentlichkeit geradezu, sie soll an seiner Reinwaschung genauso teilnehmen wie an dem teilweise würdelosen Prozedere im Strafprozess. Sein Lächeln versiegte, als Richter Kästner nach weniger als vier Minuten verkündete, die Öffentlichkeit werde von der Verhandlung ausgeschlossen, weil „persönliche Verhältnisse der Parteien erörtert werden, die nicht in die Öffentlichkeit gehören“. Der Punkt geht an Claudia D.“

Jörg Kachelmann entgegnet auf Twitter:

„Das Gericht hatte im Vorfeld des Verhandlungstags vorgeschlagen, die Öffentlichkeit auszuschliessen. Meine Anwältin hat nicht nur diesen Vorschlag begrüsst, sondern auch einen separaten Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt, weil (…) diese in einem entspannten Umfeld ohne die Anwesenheit von sabbernden Journalisten etc. stattfinden sollte, die einem ein versiegendes Lächeln ins Gesicht dichten.“

Wer naiverweise gedacht (oder gehofft) hatte, die juristischpublizistische Auseinandersetzung zwischen dem Wettermann und der Radiofrau sei mit dem Freispruch von Ende Mai 2011 vorbei, sieht sich getäuscht. Anderthalb Jahre nach dem Urteil hat sich der Pulverdampf keineswegs verzogen.

Ganz im Gegenteil: Er wird immer dichter.

Was dem Gericht in Mannheim mit rechtlichen Werkzeugen nicht gelang – oder gar nicht gelingen sollte? – will Kachelmann nun mit eigenen Mitteln erzwingen: Ein für allemal Klarheit darüber zu schaffen, wer in diesem Drama Opfer ist und wer Täterin. Mit Interviews, einem Buch, einem Talkshow-Auftritt und unzähligen Beiträgen in Online-Foren versucht der „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochene Kachelmann das Stigma eines „Freispruchs zweiter Klasse“ loszuwerden.

Die Frau, die seiner Meinung nach die Hauptschuld an der ganzen Misère trägt, denkt ihrerseits nicht daran, „die Sache“ auf sich beruhen zu lassen. Erst wehrte sich erfolglos dagegen, dass ihr früherer Teilzeit-Lover sie in seinem Buch mit vollem Namen nennt. Dann verkrachte sie sich mit ihrem Anwalt, weil dieser einem Journalisten höchst vertrauliche Dokumente über seine Mandantin zugespielt hatte. Das vorläufig Letzte, was man von Claudia D. gehört hat, war, dass ihre Geschichte verfilmt werden soll. Mit George Clooney als Jörg Kachelmann.

Aber interessiert all das überhaupt noch jemanden – von den Direkbetroffenen einmal abgesehen? Fest steht: Das Interesse an der Affäre nimmt ab, wie ein Blick in die Schweizerische Mediendatenbank (SMD) belegt: Für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31. Mai 2011 – das war die Phase vor dem Prozess – sind im elektronischen Gehirn der Journalisten über 500 Einträge gespeichert. Im letzten halben Jahr wurden in den Printmedien noch gut 150 (und vergleichsweise recht kurze) Texte zum Thema „Jörg Kachelmann“ publiziert.

Nachdem das Ehepaar Kachelmann in seinem Buch „Recht und Gerechtigkeit“ mit jedem und jeder abgerechnet hatte, der in den letzten Jahren nicht Seit‘ an Seit‘ mit ihm gekämpft hatte, spätestens aber seit seinem missglückten Auftritt bei Günther Jauch, scheint in dieser Sache endgültig alles gesagt, was nachvollziehbarerweise noch gesagt werden musste.

Wer noch Belege dafür benötigte, dass Jörg Kachelmann übelst mitgespielt wurde, fand sie in seinem Buch. Wer noch eine Bestätigung für die These gesucht hatte, dass über den Freispruch halt doch der Schatten eines Zweifels schwebt, wurde – ironischerweise auch wegen des eher suboptimalen Vorgehens des Hauptdarstellers – ebenfalls bedient.

Doch was genau in der Wohnung von Claudia D. damals passiert ist, wird kein Mensch je erfahren. Genausowenig vermag kein Mensch in die Köpfe von Jörg Kachelmann und Claudia D. zu blicken, auch wenn beide ihre Seelenteppiche mehrfach in voller Länge und Breite vor Publikum ausgebreitet haben.

Ein Mehr an Fakten ist nicht zu erwarten. Gäbe es in Form eines DNA-Spürchens oder eines verwischten Fingerabdrucks auch nur einen Belegfitzel dafür, dass die angebliche Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden hat: Claudia D. und ihre Anwälte hätten ihn längst präsentiert. Doch offensichtlich liegt Derartiges nirgendwo vor. Und solange das so bleibt, ist es unmöglich, Jörg Kachelmanns Schuld zu beweisen. Was in einem Rechtsstaat bedeutet: Er ist un-schuldig.

Nur: Das ist nichts Neues. Das haben inzwischen alle begriffen. Oder fast alle.

Jene, die es nicht kapieren wollen oder können, lassen sich selbst dann nicht von ihrer Meinung abbringen, wenn sich die Schlammschlacht bis zu dem Tag hinziehen sollte, an dem auch der sensationsgeilste Leser und die klatschsüchtigste Leserin mit einer Mischung aus Langeweile, Mitleid und Fremdscham einfach weiterblättern, wenn sie in der Zeitung den Namen Kachelmann lesen.

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