„Schon etwas eigen“

Hochzeit Chantal und Hannes
Würden gerne gratis auftreten: Lautenist Thomas Schall und sein Sänger Rafael Montero (Bild: Hannes Zaugg-Graf)

Das passiert einem Musiker nicht alle Tage: Der Lautenist Thomas Schall wollte seiner Wohngemeinde Lungern ein Konzert schenken. Doch die Kirchenverantwortlichen denken nicht daran, sein Angebot anzunehmen.

„Lungern zeichnet sich aus durch ein reges Vereinsleben mit mehr als 30 musikalischen, sportlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Vereinen“, heisst es auf der Homepage der 2000 Seelen-Gemeinde im Kanton Obwalden. Kultur:

Das ist am Fuss des Brünigs primär die Bläsergruppe Lungern-Schönbühl und die Feldmusik und die Guggenmusig Gumulu und der Jodlerclub und der Kirchenchor.

Auf das Engagement von Zuzügern, deren musikalischer Horizont über Jolleroodioo und Tschingderässabumm hinausreicht, legt zumindest die Römisch-katholische Kirchgemeinde des Kurorts „mit idyllischen Plätzchen und Freizeitvergnügungen für Familien und Erholungssuchende“ weniger Wert.

Ein Liedchen davon kann der Lautenist Thomas Schall singen. Er hatte der Kirchgemeinde von Lungern ein für sie kostenloses Konzert angeboten. Die Reaktion fiel ernüchternd aus. Statt einer Zusage erhielt er eine Mail, in der ihm beschieden wurde, dass der Ball beim Gemeinderat liege. Seither herrscht Funkstille.

Das sei, schreibt Schall auf seiner Facebook-Seite, „schon etwas eigen“. Für das Desinteresse der Kirchgemeinde hat der Musiker, der vor einem Jahr an unserer Hochzeit aufspielte und der mit seinen Klängen auch schon ein Mittelalteressen in Burgdorf wunderschön abgerundet hat, nur eine Erklärung: „Die wollen hier Blasmusik. Etwas Aussergewöhnliches passt nicht“, glaubt er.

Auf Nachfrage erläutert der Künstler, was er seinen Mitbürgerinnen und -bürgern hätte bieten wollen, welchen Alternativplan er schmiedet – und womit die Gemeinde rechnen muss, falls die Behörden sich irgendwann doch noch zu einer Zusage durchringen sollten.

Wie bist du auf die Idee gekommen, deinem Wohnort ein Konzert zu schenken?

Thomas Schall: In diesem Jahr wird John Dowland, einer der bekanntesten Komponisten für die Laute, 450 Jahre alt. Mein Sänger und ich wollten dieses Jubiläum zum Anlass nehmen, Konzerte mit Musik des elisabethanischen Zeitalters zu geben. Generell finde ich die Kapelle Obsee für diese Art Konzerte perfekt geeignet. Ich spiele im Sommer oft in der Kapelle – zur Freude von Touristen, welche die Kapelle besuchen.

In welchem Rahmen hätte das Konzert stattfinden sollen?

Ich habe mir keinen speziellen Rahmen vorgestellt. Nach dem Okay des Pfarramtes hätte ich etwas Werbung gestartet. Das Programm besteht aus höfischer Musik; ich erzähle üblicherweise etwas zu den Hintergründen der Stücke und bin immer wieder begeistert, wie viel wir heute noch wissen und wie viel Forscher über die einzelnen Lieder herausgefunden haben, die oft einen typisch englischen Sinn für Humor verraten. Manchmal handelt es sich aber auch um tragische Geschichten.

Auf diese Weise entsteht ein informatives und unterhaltsames Konzert. Der Rahmen lässt sich vielleicht als „familär“ bezeichnen, was sich aber aus der Art der Musik und dem Ort, an dem das Konzert stattfindet, ergibt. Ich habe schon auf einem Open-Air Festival vor mehreren tausend Zuhörern und Fernsehkameras gespielt. Die zarte, intime Lautenmusik mit all ihren Subtilitäten war dort fehl am Platz. Umgekehrt bin ich schon in einer Jurte an einem Punkrock-Festival aufgetreten, was bei den Leuten fantastisch ankam.

Die Kirchgemeinde ging bisher nicht auf ein Angebot ein. Kannst du dir dieses Desinteresse erklären?

Nein. Ich erhielt von der Kirche eine „Wartemail“. Darin stand, dass der Kirchgemeinderat über meinen Vorschlag entscheiden müsse. Dann kam nichts mehr. Aber das ist für mich keine neue Erfahrung. Vor anderthalb Jahren fragte ich in Obwalden und im Berner Oberland herum, ob jemand Interesse an einem Konzert habe. Auch damals erhielt ich von fast niemandem eine Antwort. Ich vermute, dass irgendwann noch eine Reaktion der Gemeinde kommen wird – und ich dann absagen muss, weil die Zeit für die Vorbereitungen nicht mehr reicht.

Was ging dir durch den Kopf, als dir klar wurde, das die Gemeinde wohl nicht auf dein Angebot eingehen wird?

Für Lungern wäre es sicher positiv, wenn etwas Neues – wenn auch eher Aussergewöhnliches – im Ort stattfindet. Der Kirchgemeinde entstünde kein Aufwand; sie müsste nur für einen bestimmten Termin die Kapelle freihalten. Auch wenn zu einem Lautenkonzert nicht Hunderte Besucher kommen, wäre das für alle Beteiligten eine freudige Sache geworden. Bisher war das Medienecho auf meine Auftritte durchwegs positiv; nur schon das wäre für einen Touristenort wie Lungern viel wert. Auch Einheimische wären vermutlich froh über das Angebot. Kurz gesagt: Ich finde es schade.

Gibt es für deine Mitbewohner trotzdem eine Chance, dich vor Ort einmal live zu sehen?

Natürlich habe ich ein Alternativprogramm im Kopf: Kleine Hauskonzerte. Diese Auftritte würden zwar in einem kleinen Kreis stattfinden, dafür aber vor Leuten, die sich wirklich für diese Art von Musik interessieren und begeistern. Vielleicht finden sich auch andere Musiker, die in so einem Runde auftreten möchten. So könnte eine nette Konzertreihe entstehen. Davon hätte die Gemeinde Lungern natürlich nichts. Aber ihr bin ich ja auch nicht verpflichtet.

Bis du von deinem Wohnort enttäuscht?

Eigentlich nicht. Es ist das Recht der Kirchengemeinde, über ihre Räumlichkeiten zu bestimmen. Es wäre schön gewesen, ja. Und ich als Neubürger (der zwar inzwischen auch schon ein paar Jahre im Ort wohnt) fände es toll, etwas zum Gemeindeleben beizutragen. Aber wenn das nicht gewünscht wird, tut es mir nicht sonderlich weh.

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