Suchtgefahr am grünen Teppich

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Sie ist eine der effektivsten Zeitverbrennmaschinen in der Geschichte der Menschheit: Wer auf dem iPhone oder iPad mit der App „Samschtig-Jass“ je einen Schieber, Differenzler oder Coiffeur geklopft hat, kommt davon kaum mehr los.

Das verblüffend realistisch designte Spiel bietet alles, was sich Jassfreunde wünschen: Differenzler mit verdeckter Ansage auf vier oder acht Runden, Schieber auf 1000 oder 2500 Punkte, Coiffeur mit oder ohne Slalom und Guschti, ein deutsches und ein französisches Kartenset plus eine persönliche Statistik, die zeigt, wieviele Partien man schon gewonnen oder – häufiger – verloren hat.

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Ganz zu Beginn ist es chli gewöhnungsbedürftig, völlig lautlos zu jassen: Niemand murmelt verdrossen „Herz“, weil der Partner, der Feigling, schon wieder geschoben und er selber nichts Gescheites in der Hand hat. Niemand weist triumphierend „Hundert vom Kreuz As“ (und schüttelt Sekundenbruchteile später verdrossen den Kopf, wenn ein Gegner vier Nüüni angibt). Was angesagt ist und wer wieviel weist, wird eingeblendet (und zwar solange, bis jeder es sich merken konnte).

Dafür erzählt beim Mischeln aber auch niemand seine halbe Lebensgeschichte. Und niemand flucht, wenn ihm der Partner nicht die richtige Farbe zuspielt, obwohl er jetzt doch schon zweimal Schaufel verworfen hat.

Seit mein Schatz und ich den „Samschtig-Jass“ auf unsere iPhones geladen haben, verlaufen unsere TV-Abende ganz anders als vorher. Der Krimi mag noch so spannend sein – uns an unseren virtuellen Jassteppichen interessiert mehr, ob das Egge Zähni jetzt kommt, damit wir den Obenabematch mit dem Achti und dem Sechsi nach Hause schaukeln können.

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(Für die BZ und den TagesAnzeiger hat sich meine Kollegin Nina Kobelt mit Werner Bättig, dem Projektleiter von „Stöck, Wyys, Stich mobile“ unterhalten und dabei versucht, das Erfolgsgeheimnis der Jass-App zu ergründen.)

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