„Süffig geschrieben und trotz allem gut verdaubar“

„Notfalls reicht ein falscher Pilz im Ragout“: Verlegerin Verena Zürcher (Bild: pd)

Mit den „Mordsgeschichten aus dem Emmental“ ist Verena Zürcher und ihrem Landverlag aus Trubschachen ein Überraschungserfolg gelungen. Zwei Bände dieser Anthologie haben schon Tausende von Leserinnen und Lesern begeistert. Nun verfassten zwei Dutzend Hobby-Autorinnen und -Autoren „Noch mehr Mordsgeschichten aus dem Emmental“. Am 1. Juni wird die Krimisammlung der Öffentlichkeit vorgestellt. Ermüdungserscheinungen zeigt die Herausgeberin nicht. Von ihr aus können „noch 100 Bände“ geschrieben werden.

Wenn du „den Emmentaler“ in einem Satz charakterisieren müsstest: Was käme dabei heraus?

Verena Zürcher: Nichts Gescheites. Weil es ihn nicht gibt, den Prototypen des Emmentalers. „Chäch wie ein Schwinger und saftig wie Pfyffeholz“: Das sind nur Klischées.

Irgendwie scheint er ausgeprägt kriminell zu sein. Geschichten über Emmentaler Mörderinnen und Mörder füllen inzwischen drei Bände.

Die mystische Gegend bildet einen guten Nährboden für absurde, kriminelle Geschichten. Die Menschen im Emmental müssen sich wohl oder übel in diesen Krächen zurechtfinden – da kann es schon passieren, dass dummerweise mal einer über einen Felsvorsprung stürzt.

Die ersten zwei „Mordsgeschichten“-Sammlungen verkauften sich fast wie von selber. Für die dritte Anthologie liegen ebenfalls schon massenhaft Vorbestellungen vor. Wie erklärst du dir diesen Erfolg?

Die Geschichten sind gut, aber nicht gekünstelt, sie sind authentisch, spielen in einer Gegend, die man mag und kennt. Selbst ungeübte Leser tun sich die „Mordsgeschichten“ an, denn sie sind süffig geschrieben und trotz allem recht gut verdaubar.

Was ist eigentlich komplizierter: Den berühmten Sack Flöhe zu hüten oder mit über 20 Autorinnen und Autoren ein Buch zu realisieren?

Es ist nicht mehr als eine kleine organisatorische Herausforderung, mit 23 Autoren ein Buch zu realisieren. Die Autoren sind extrem motiviert. Das erleichtert meine Arbeit enorm. Also: Gerne noch 100 Bände Mordsgeschichten. Auf Flöhe kann ich gut verzichten!

Wie lange haben die Schreiberinnen und Schreiber jeweils Zeit, um ihre Geschichten bei dir abzuliefern?

Ein halbes Jahr? Oder waren es sogar neun Monate beim letzten Band? Egal. Es gibt die extrem schnellen Autoren, die nach zwei Monaten liefern. Und jene, die garantiert Verspätung haben. Das wäre auch so, wenn sie zwei Jahre Zeit hätten.

Werden die Manuskripte von dir noch bearbeitet?

Nein. Ich stelle höchstens Rückfragen, wenn etwas unklar ist. Das Lektorat macht ein Profi, der auch die sprachlichen Finessen spürt. Das lohnt sich. Allerdings hatte der Lektor den Auftrag, nur offensichtlich Falsches auszumerzen. Die „Mordsgeschichten“ sind auch ein Erfolg, weil sie nicht meinen, Literatur sein zu müssen. Dafür sind sie gut lesbar, menschlich, frisch von der Leber, stimmungsvoll. Und so bunt und unterschiedlich wie die ganze verrückte Autorenschar.

Hast du schon Geschichten zurückgewiesen?

Ja. Wenn Autoren sich gar nicht an die Vorgaben halten mögen, muss ich eingreifen. Die Vorgaben sind aber relativ schlicht: Ein Kurzkrimi, der im Emmental spielt. Da muss ich eine 100-seitige, dozierende Abhandlung über Gott und die Welt ablehnen.

Wenn man die Autorenzeilen abdecken würde: Würdest du merken, welche Geschichte von einem Mann verfasst wurde und welche von einer Frau?

Mittlerweile kenne ich die Autoren recht gut und würde wahrscheinlich in vielen Fällen merken, von wem sie ist. Jeder Autor und jede Autorin hat eine ganz persönliche Art, wie er oder sie etwas darstellt. Vor allem die Stammautoren, also jene, die seit dem ersten Band dabei sind, kann man daran erkennen.

Kriminalstatistiken belegen, dass Männer anders töten als Frauen. Sie neigen dazu, ihre Opfer zu erschiessen, zu erstechen oder zu erwürgen. Frauen bevorzugen sanftere Methoden: Sie greifen zu Gift oder werfen im passenden Moment einen Fön in die Badewanne. Sind diese Unterschiede auch in den „Mordsgeschichten“ erkennbar?

Ja, das hört man immer wieder. Und ich glaube, dass dies in vielen Fällen stimmt. Aber die Ausnahme bestätigt die Regel, dies ist auch bei den Mordsgeschichten nicht anders. Aber spontan fallen mir zwei oder drei Frauengeschichten ein, in denen tatsächlich nur „psychologisch“ gemordet wird. Notfalls reicht auch ein falscher Pilz im Ragout.

Am 1. Juni werden in der Heimstätte Bärau bei Langnau nicht nur „Noch mehr Mordsgeschichten“ vorgestellt. Am selben Abend weiht „Tatort“-Kommissar Stefan Gubser auch den schweizweit ersten „Mords- und Spukgeschichtenweg“ ein. Was hat es damit auf sich?

Von Seiten des Tourismus kam die Anfrage, Geschichten aus den beiden ersten Bänden zu vertonen und daraus einen Mordsgeschichtenweg zu machen. Das ist nun passiert. Zwischen Escholzmatt und Burgdorf wurden 20 Ruhebänkli ausgerüstet, damit man dort während des Rastens eine Geschichte hören kann – mit dem Handy oder dem MP3-Player.

Wieso lassen sich die Mords- und Spukgeschichten nicht im Internet herunterladen? iTunes oder Amazon würden sich dieses Geschäft kaum entgehen lassen.

Das liegt an der Verlegerin. Die hatte bis jetzt einfach weder Zeit noch Lust, sich darum zu kümmern.

Falls das Gesetz jedem Menschen erlauben würde, straffrei jemanden umzubringen: Wüsstest du jemanden, den du gerne für immer verschwinden lassen würdest?

Täglich mehrere! Nein, ernsthaft, ich kille zwar Mücken und Fliegen, aber bei einer Kellermaus oder einer Kröte greife ich lieber rettend ein und trage sie ins Freie. Töten ist ok in der Fiktion. In der Realität könnte ich es nicht. Wobei: Wenn ein Sauhund meinem Sohn etwas antun würde – doch, dann würde ich wohl zur mordenden Rächerin werden.

An Inspirationen dürfte es dir inzwischen ja nicht mehr fehlen: Wie würdest du ihn ins Jenseits befördern?

Ich würde ihn wohl kommentarlos erschiessen – wenn ich die Gelegenheit dazu hätte! Alle anderen Widersacher sollen ruhig leben. Ich denke jeweils, die sind gestraft genug, dass sie so sind, wie sie sind! Und wenn du mich jetzt fragst: Ja, ich denke an eine konkrete Person (lacht).

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