Unter Männern

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Ich hatte gerade alles wieder schön süüferli eingepackt und die Notdurftverrichtungsstätte des Restaurants verlassen, als mein Schatz mir etwas überraschend mitteilte, dass es sehr viele Frauen in ihrem Bekanntenkreis interessieren würde, wie das eigentlich so läuft, auf einem Pissoir, unter Männern.

Nun denn:

Männer auf einem Pissoir: Das muss frau sich vorstellen wie, sagen wir, Pferde Vollbluthengste an einer Tränke oder Arbeiter an einem Fliessband. Geredet wird wenig bis gar nichts. Frauen mögen sich bei ihren Toilettengängen endlos über die Inhalte ihrer Handtäschli, die neuste Coiffeuse im Ort oder vergessene Hochzeitstage unterhalten. Auf einem Pissoir ist es – vom gelegentlichen Rauschen einer Spülung und dem recht seltenen Heulen des Handtrocknungsautomaten abgesehen – auf eine fast schon kontemplative Art ruhig.

Hin und wieder ritscht ein Reissverschluss, und aus jenen Kabinen, in welchen die grösseren Geschäfte abgewickelt werden, ist zwischendurch ein trockendes Husten oder ein leises Stöhnen zu vernehmen, wobei es bei Letzterem nicht so ist, wie frau jetzt vielleicht denkt: Das Geächze rührt in 10 von 10 Fällen von akuten Verstopfungen her. Es entfährt dem Drückeberger wegen der Presswehen oder spätestens dann, wenn er, um ein paar Kilo Hardware erleichtert, realisiert, dass kein WC-Papier mehr vorhanden ist.

Natürlich könnte mann in einem solchen Fall um Hilfe rufen oder die für ihn unsichtbaren Aussenstehenden flüsternd um eine neue Rolle bitten („Is there anybody out there?“, um Pink Floyd zu zitieren), aber das tut kein Mensch, der sich auch in der beschissensten Lage ein wenig Restwürde bewahren will. Lieber wartet er, bis er davon ausgehen kann, dass die Luft vor der Tür so rein ist, wies unter den gegebenen Umständen geht, um dann mit der nur halb hochgezogenen Hose in das benachbarte Kabäuschen zu huschen in der Hoffnung darauf, dort etwas zum Abwischen seines Allerwertesten Geeignetes vorzufinden (zur Not tuts es auch ein Gratisheftli oder ein zerlesener „Playboy“, wobei da Vorsicht geboten ist: Hochglanzpapier!).

Aber das alles, glaube ich, wollen die Frauen gar nicht wissen, oder ämu nicht so genau. Was sie interessiert, ist: Stellen wir uns auf die Zehenspitzen, um über die Trennwändli hinweg möglichst unauffällig nach links und rechts zu schielen? Beäugen wir argwöhnisch (oder mitleidig) das Equipment unserer Nachbarn, wenns ein paar Sekunden lang open air eingesetzt wird?

Nein – das machen wir nicht. Es ist uns, ehrlich gesagt, völlig egal, was der Typ gleich wieder mehr oder weniger umständlich in der Hose verstauen wird. Wer etwas anderes behauptet, hat entweder sämtliche „Eis am Stiel“-Filme mehrfach gesehen oder liegt einfach so komplett falsch. Unser Nachbar könnte röchelnd von einem Herzinfarkt gefällt werden, Goethes Greatest Hits rezitieren oder lautstark Pläne für einen Massenmord schmieden: es würde keinen der Umwasserlassenden auch nur im Geringsten kümmern.

Im Grunde genommen gibt es vermutlich nichts Langweiligeres, als Männer im Pissoir zu beobachten. Unterhaltsam wirds erst, wenn man neben sich jemannden weiss, der im Beisein eines Artgenossen offenkundig nicht bislen kann. Dann tut man, solange die eigene Blase hält, als ob man unter demselben Bräschteli leiden würde. Aus dem Augenwinkel beobachten zu können, wie der Nachbar sich zunehmend rotköpfig und erst ganz leise und dann immer verzweifelter prustend seiner Sollplatzstelle nähert: das ist ein Erlebnis, das Frauen auf öffentlichen Toiletten für immer vorenthalten bleiben wird.

1 Kommentar

  1. Wieder einer deiner pulitzerpreisverdächtigen Blogbeiträge. Wobei vielleicht noch zu ergänzen wäre, dass sich neben dem Playboy auch die Weltwoche und die WoZ nur bedingt zum Putzen der Notdurft eignen.

    Beide sind in ihrer politischen Haltung derart extrem, dass man sie nie in die Mitte bringt.

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