Versuch einer Antwort an Frieda, die flotte Bohne

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Eigentlich hatte ich die Liveberichterstattung aus Playa del Inglés bereits abgeschlossen. Doch dann entdeckte ich unter dem Text „Bilder stehen Kopf“ den Kommentar einer gewissen „Frieda, die flotte Bohne“.

Im Sinne eines tiptoppen Leserinnen- und Leserservices möchte ich mich dazu noch kurz äussern, auch wenn ich keine „Frieda, die flotte Bohne“ kenne, oder, genauer gesagt, überhaupt keine Frieda, ausser „der Rothaarigen“ von Abba, aber die heisst Annifrid, mit Anni vorne und ohne e hinten, und zählt folglich nicht, und deshalb checkte ich vorhin routinemässig die IP-Adresse der Absenderin, um zu sehen, ob sich dahinter amänd jemand versteckt, den oder die ich tatsächlich kenne und der oder die mir warum auch immer unter einem Pseudonym zu schreiben beliebt, aber nada: da war nichts, woraus ich hätte schliessen müssen, dass öpper als Frieda getarnt auftritt, was wiederum nur bedeuten kann, dass Frieda Frieda heisst, auch wenn sie amtliche Formulare und so im richtigen Leben möglicherweise nicht mit „die flotte Bohne“ unterschreibt, sondern mit Hürzeler oder Meier oder Steffen oder was weiss ich (und in diesem Moment fällt mir ein: ich kenne doch eine Frieda, Frieda Steffen nämlich, aus meinen seligen Zeiten beim Wynentaler Blatt. Sie war damals mitverantwortlich für das Schöftler Blättli in Nachbartal, aber ich kann mir beim besten und auch beim schlechtesten Willen nicht vorstellen, dass diese Frieda sich den Beinamen „die flotte Bohne“ zulegen würde).

Itemitem. Frieda, die flotte Bohne, schreibt:

„Hallo, blueser (sic!)!!

Mit grossem Interesse und Freude lese ich jeden Tag deine Reportagen ‚von der Insel‘. Ich muss immer lachen, wenn ich sehe, was du in Gran Canaria erlebt hast. Gestatte mir eine Frage. Ist das wirklich passiert, oder erfindest du manchmal etwas? Ich mache nie Ferien an ’solchen Orten‘. Geht es dort wirklich so zu und her? Das wäre nichts für mich! Ich freue mich auf viele weitere Texte und wäre dir dankbar für eine Antwort.“

Nun denn: Ich hoffe, dass du mir es nicht allzusehr verübelst, wenn ich deine Fanpost coram publico ausbreite. Falls dus mir wider Erwarten krumm nehmen solltest: sorrysorry, ich konnte ja nicht ahnen, dass, aber jetzt ist es halt schon passiert, und überhaupt (ich sage nur: öffentliches Interesse!).

Deine Fragen beantworte ich in aller gebotenen Knappheit (der Flieger wartet schon bald und ich muss vor der Heimreise morgen Abend noch packen) wie folgt:

Ja (von anderthalb Ausnahmen abgesehen: den Jass mit Hofstetter, Hofstetter und Hofstetter hats nie gegeben, aber wenn es ihn gegeben hätte, wäre er tupfgenauso abgelaufen wie geschildert. Wenn dus nicht glaubt, kannst du gerne Hofstetter, Hofstetter, Hofstetter oder Hofstetter fragen), und die Konzertkritik bewegte sich zugegebenermassen am Rande des journalistischen Reinheitsgebotes; nein (wieso auch? Es passieren hier jeden Tag zehn Millionen Sachen – und zwar durchaus nicht nur lustige -, die zu notieren sich lohnen würde, aber wenn ich das alles aufschreiben möchte, käme ich zu nichts anderem mehr und könnte ich den Stacheldraht, den ich unmittelbar nach meiner Ankunft süüferli um meine Liege am Strand gewickelt habe, ebensogut wieder abmontieren); ja.

Um Tourismushochburgen wie Playa del Inglés machst du scheints einen weiten Bogen. Das kann ich verstehen, nur: bei Frauen, die sich „Frieda, die flotte Bohne“ nennen, handelt es in der Regel nicht um Huschis, die bei allem, was auch nur entfernt nach Spass riecht, „Jessesgott!“ kreischen. Sie neigen vielmehr dazu, sich die Haare mit Wasserstoffperoxyd zu färben, lauschen, wenn niemand ume ist, Robbie Williams und Herbert Grönemeyer in Endlosschleife und nötigen ihre Enkelin, die für sie längst zur besten Freundin geworden ist, mit ans Gnadenlose grenzender Hartnäckigkeit zu gemeinsamen Discobesuchen, obwohl das Grosskind jedesmal, wenn sie dann miteinander auf der Tanzfläche herumhopsen, meckert, es sei für heute Abend für eine Gangbangparty gebucht gewesen, aber was mache man nicht alles, wenn s Grosi rufe und zahle, wenn auch deutlich weniger, als der Partyveranstalter locker gemacht hätte. IST ES NICHT SO?

Wenn du mich zusätzlich zu allem anderen auch noch gefragt hättest, wieso zum Teufel ich eigentlich Jahr für Jahr einmal nach Grosskanarien fliege, wenn ich dann doch nur einen schönen Teil meiner Zeit damit zubringe(n müsse), mich über meine Mitmenschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu wundern, wäre mir die Antwort sehr leicht gefallen: weils fägt.

Hier dürfen die Leute zwei, drei Wochen lang sein, wie sie zuhause gerne wären, und sie dabei zu beobachten, wie sie leben, was sie unter „Leben“ verstehen: das ist besser, als sich rund um die Uhr gescripteten Realityschrott auf RTL II reinzuziehen.

Beispiel 1: Vor meinem Hotelzimmer beginnt sich jeden Abend um punkt 18 Uhr eine Schlange zu bilden (siehe Bild oben). Erst besteht sie aus vier oder fünf Personen. In den nächsten Minuten kommen immer mehr Leute hinzu, und um ziemlich genau 18.15 Uhr hat sie mit 60 bis 70 Gliedern ihre volle Länge erreicht. Die Menschen in dieser Schlange verhalten sich exakt wie ein Grüppli Liftbenutzer: sie starren zu Boden, suchen den Himmel nach Flugzeugen ab, noschen in ihren Handtaschen und wischen auf ihren iPhones herum. Kurz: sie tun alles, um sich ja nicht mit den Damen und Herren unterhalten zu müssen, die direkt neben, hinter und vor ihnen stehen, und wenn die Türflügel zum Speisesaal um 18.30 Uhr endlich aufschwingen, strömen sie ins Schlaraffenland, als ob es kein Morgen (und vor allem nicht genug Auswahl am Buffet!) geben würde, dabei wurde jedem und jeder von ihnen schon beim Buchen der Reise und beim Einchecken ins Hotel und beim Zimmerbezug garantiert, dass sie beim Znacht einen festen Sitzplatz haben und, ja: zu Essen sei mehr als nur reichlich vorhanden.

Beispiel 2: der FKK-Strand zwischen Playa del Inglés und Maspalomas. Dort treffen sich Tag für Tag Tausende von Zeitgenossinnen und -genossen, die ihre Körper offenkundig als eine Art Gottesgeschenk an die Menschheit betrachten. Wer mehr oder weniger zufällig an ihnen vorbeibummelt, mag sich bei ihrem Anblick fragen, wo die Walretter von Greenpeace seien, wenn man sie mal brauche, aber das ist den im ästhetisch besten Fall wie tot daliegenden und im worst case Federball spielenden Naturisten von Herzen egal. Sie schleifen ungeniert ihre Brüste durch die Dünen und lassen sich stundenlang ihre Schnäbi (oder Schnäbis?) sandstrahlen, doch wenn ihnen ein Nachbar in Salzburg, Bonn oder Luzern vorschlagen würde, sie sollen sich einmal zehn Minuten lang füdliblutt auf den Balkon stellen: „Gehts eigentlich noch?!? Ich bin doch nicht pervers!“

Nein, liebe Frieda, die flotte Bohne: pervers ist hier sozusagen fast niemand, aber spiessig sind sie samt und sonders, durch und durch, mich inbegriffen, mit ihrem sie alle verbindenden Wunsch, in Playa del Inglés ein paar Tage zu erleben, in denen theoretisch alles Mögliche passieren könnte („alles Mögliche“ im Sinne von „eine Platte Meeresfrüchte verputzen“), sich praktisch aber überhaupt nichts Besonderes ereignet, weil letztlich auch auf Gran Canaria alles so sein sollte wie zuhause (Pizza, Bier und nonstop Bundesliga am Riesengrossbildfernseher), nur mit mehr Sonne und Wärme und weniger Verpflichtungen und Textilien und, vor allem, keinen Menschen um einen herum, die einen in Salzburg, Luzern oder Bonn manchmal chli nerven, weil sie immer nur Pizza essen, Bier trinken und Bundesliga gucken.

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