Viel mehr als nur „Häpperebrägu“

Zu meiner Zeit in Freiburg – Achtung! Opa erzählt vom Krieg! – war Pascal Vonlanthen gerade damit beschäftigt, ein paar Grundsteine zu legen, auf denen er seine Karriere als Gustav aufbauen wollte. Er gab Radio Freiburg ungefähr täglich ein Interview und war auch sonst an jeder Hundsverlochete.

Auf mich wirkte er damals, vor über zehn Jahren, wie jemand, der unbedingt berühmt werden will, aber nicht genau weiss, wie er das anstellen soll.

Seine Musik? Naja. Für mich war „Mundart“ Polo Hofer, Züri West und Patent Ochsner. Gustav zielte mit seinem Mix aus Folkloreklängen, Popharmonien und Rockriffs haarscharf an meinem Geschmack vorbei. Und dann diese Sprache. Dieses Senslerdeutsch. Ich sage nur: „Häpperebrägu“.

Aber dann, eines prächtigen Sommerabends, erlebte ich den jungen Mann auf der Openair-Bühne der Freiburger Jazz-Parade. Ich staunte: Kaum hatte Gustav das Mikrofon in die Hand genommen, frass ihm das Publikum bereitwillig aus derselben, was immer er ihm vorsetzte. In den vielleicht anderthalb Stunden, die ihm zur Verfügung standen, gab der junge Mann mehr, als andere Musiker während einer Tournee. Wie Hosentaschen kehrte er seine Gefühle von innen nach aussen. Er lachte und litt, er war witzig und nachdenklich, er hüpfte herum und stand bockstill. Er sang in seinem Dialekt, auf Französisch, Hochdeutsch und, wenn ich mich richtig erinnere, in lupenreinem Englisch. Er da oben hatte sichtlich und hörbar genauso den Plausch wie die Menschen da unten. Gustav war in jener Nacht weniger ein Künstler. Er war ein grosser Bub, der sich nach Lust und Laune auf einem riesengrossen Spielplatz austoben darf. Und während die Leute nicht mehr aufhören wollten mit Klatschen, dachte ich: Oha. Der weiss ja ganz genau, wie er das mit dem Berühmtwerden anstellen muss.

Et voilà: Ein paar Jahre später war Gustav der halben Deutschschweiz ein Begriff. Sein 2007 erschienenes Album „Les jardins de mon coeur“ und das drei Jahre später produzierte „666“ verpassten die Top Ten der Schweizer Hitparade nur knapp. Dann stellte sich der Gewinner des Freiburger Kulturpreises ins ganz grosse Schaufenster: Er gewann den „Kampf der Chöre“ am Schweizer Fernsehen. Jetzt kannten und mochten Gustav Hunderttausende.

Für seinen jüngsten und schlicht „Gustav“ getauften Wurf hat der Hansdampf auf allen Instrumenten und in allen Sparten aus 36 Einzelstücken ein riesiges Puzzle gebastelt: Rock, Pop, Latin, Folk, Jazz, Metal, Electro, ein Kinderlied und ein Eurodance-Chor-Cover – der Freiburger lässt nichts aus. Es handelt sich, wie Gustav sagt, um ein Sammelsurium an „Schönheiten, Kuriositäten, Trouvaillen, Liveaufnahmen und Spinnereien“. Die Plattenfirma bescheinigt dem Opus „Intimität und Brachialität“ – und übertreibt damit für einmal kein bisschen. Auch wenn sie schreibt, Gustav nehme den Hörer mit auf eine „herausfordernde Odyssee“ und öffne ihm die Pforte zu einem „kontrastreichen Kosmos voller Musikalität und Poesie“, trifft sie den Nagel damit ziemlich genau auf den Kopf.

Dass es Gustav geschafft hat – obwohl er kaum der Typ ist, der sich je mit Erreichtem zufrieden gibt – lässt sich daran ablesen, dass er nicht mehr nur mit Radiomoderatoren im Röschtigraben arbeiten muss, um Dinge in Gang zu bringen und am Laufen zu halten. Sein Schaffen wird inzwischen von gestandenen Szenegrössen anerkannt. Um den Finish seines Doppel-Silberlings kümmerte sich Geoff Peche aus den „Abbey Road“-Studios in London, der schon Platten von Megakaliber wie Coldplay, den Gorillaz oder Kylie Minogue veredelt hat.

„Hell, it’s a lot of music“, soll Peche entfahren sein, als er Gustavs Material zum ersten Mal hörte.

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