Völlig ahnungslos

In der Schweiz lag viel Schnee, „Jeder Rappen zählt“ war ein Riesenerfolg und Jörg Kachelmann hat einen neuen Verteidiger: Was auf der nördlichen Halbkugel seit dem 27. November sonst noch passiert ist, weiss ich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie die Abstimmungen über die Ausschaffungs- und die Steuerinitiative ausgingen, wie sich die SCL Tigers schlagen, was Angela Merkel treibt, ob Nella Martinetti noch lebt, ob es irgendwelche Schwerverbrechen gab oder ob Firmen fusionierten.

Ich lese hier keine Zeitungen, weder auf Papier noch online. Bei unseren Gastgeberfamilien laufen zwar rund um die Uhr die Fernseher, doch mehr als kurze Fetzen aus Seifenopern bekomme ich nicht mit. Ich tappe wirtschaftlich, gesellschaftlich, sportlich, kulturell und politisch völlig ahnungslos durchs Leben – und hatte bisher keine Sekunde lang das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde. Nicht einmal den „Spiegel“ vermisse ich; und dabei war ich in den Ferien immer der erste, der am Montagmorgen vor den Kiosken stand, um dieses Magazin zu posten und dann stundenlang bis auf die letzte Kurzmeldung zu studieren.

Ein Leben ohne Nachrichten – das gab es für mich bisher nicht. Hier, in Australien, ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. Mit dem iPad könnte ich jederzeit durch zig Zeitungen surfen, Radios hören oder TV-Nachrichten gucken. Ich tus nicht.

Woran liegt das? An mir? An Australien? An den Medien? The answer, my friend, is blowin‘ in the wind, der gestern und vorgestern den Sand und das Salz von Sydney pustete und dann im Landesinneren verschwand.

Was zählt ist: Wir sind nach wie vor hier, im Paradies. Aber jedesmal, wenn ich erwache, scheint die Zeit ein wenig schneller vergangen zu sein. Es ist, als ob jemand über Nacht immer wieder das kleine Loch in der Sanduhr vergrössern würde.

Wer das tut und warum – das würde mich in diesem Moment, in dem ich in Shorts und T-Shirt im Garten vor dem Haus sitze und, von allerlei bunten Vögeln beobachtet, der Sonne beim Aufgehen zuschaue, wirklich interessieren.

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