Vom Weinen und vom Lachen

Wenn ich mich als Journalist mit jemandem unterhalte, der die Stelle wechselt oder pensioniert wird, sagt er eher früher als später, er gehe „mit einen lachenden und weinenden Auge“. Ich schreibe das jeweils eher contre coeur auf; der Satz ist dermassen abgedroschen und absehbar, dass ihn vermutlich kein Mensch mehr lesen mag.

Nun stehe ich selber kurz davor, vom einen Arbeitsplatz zum nächsten zu zügeln. Wenn mich jetzt jemand fragen würde, wie ich mich dabei fühle, würde ich sagen…würde ich…müsste ich…käme mir…also gut: Ich würde genau das Gleiche sagen. Nicht, weil mir nichts Gescheiteres in den Sinn kommen würde (wobei: etwas Gescheiteres kommt mir tatsächlich nicht in den Sinn), sondern, weils einfach so ist.

Heute Mittwoch habe ich meinen letzten richtigen Arbeitstag auf der BZ-Redaktion in Burgdorf. Morgen wirds wohl vor allem darum gehen, das Büro auszumisten und der Nachfolgerin so zu hinterlassen, wie ich es damals angetroffen habe: als Raum gewordene Einladung zum Schreiben und Reden und Lesen.

Fünfeinhalb Jahre war ich in der Emmestadt tätig. Zuvor hatte ich während einer einjährigen beruflichen Auszeit mein Leben in Ordnung gebracht. „Burgdorf“ war für mich mehr als ein neuer Job; „Burgdorf“ war der Wiedereinstieg in die Normalität. 

Es gab in meiner ganzen Burgdorfer Zeit nicht sehr viele Tage, an denen ungern in das Büro an der Poststrasse 10 gegangen wäre. Ich hatte (hoppla: da ist sie schon, die Vergangenheitsform) hier ein Umfeld, das grössere Motivationsstörungen ausschloss. Ich konnte nach Lust und Laune Themen bearbeiten, Menschen porträtieren und Geschichten realisieren. Mit dem grössten Teil meiner Gspändli war und bin ich durch das Stationentheater und das Mitwirken an den beiden Krimi-Anthologien aus dem Emmental auch aussergeschäftlich verbunden, was dem Teamgeist ein selten gutes Zeugnis ausstellt. Wenn mich privat etwas beschäftigte, fand ich auch dann offene Ohren, wenn der Betrieb auf Hochtouren lief.

Ich genoss hier Freiheiten, von denen andere nicht einmal träumen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ins Personalbüro zitiert zu werden. Natürlich hat es zwischendurch chli ghäscheret; man kanns mit den Freiheiten auch übertreiben. Aber spätestens am Feierabend hatten sich diese Gewitter jeweils verzogen.

Falls jetzt jemand anmerkt, es sei eigentlich ziemlich widersinnig, so einen Job freiwillig aufzugeben, kann ich ihm nicht widersprechen. 

Aber als mir die Chefredaktion vor zwei Monaten eine neue Aufgabe in der BZ-Zentrale in Bern anbot, musste ich mir sagen:  Das ist eine dieser Chancen, die in deinem Leben nur sehr, sehr selten vor dir stehen. Wenn du sie jetzt nicht am Arm packst und festhältst, spaziert sie, verständnislos den Kopf schüttelnd, davon und schmeisst sich jemand anderem an den Hals.

Auf der relativ neuen Plattform für die Leserinnen und Leser – dem „Forum“ – werde ich noch mehr Kontakte mit allen möglichen und unmöglichen Menschen haben und mich online viel grossflächiger austoben können als bisher. Manches hat sich in diesem Ressort bereits etabliert. Anderes ist noch in der Auf- und Ausbauphase und entsprechend formbar. Kurz: Ich betrete am nächsten Montag einen grossen Spielplatz mit Spielzeug, von dem ich zum Teil schon weiss, dass es mir grossen Spass macht. Darüber hinaus liegen da viele Sachen herum, die freudig ausprobiert werden wollen. Einiges muss zuerst noch erfunden werden; auch dabei wirke ich mit.

Weinen? Lachen? Ich weiss es wirklich nicht. Was ich weiss, ist: Ich bleibe Burgdorf  treu, auch wenn ich nicht mehr über die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner schreibe; ich lebe ja weiterhin in diesem wunderbaren Ort.

Und was ich inzwischen auch weiss: Leute, die sagen, sie würden mit einem lachenden und einem weinenden Auge von hier nach dort gehen, bemühen nicht nur eine Floskel. Die meinen das ernst.

4 Kommentare

  1. @ Ka: Selpferständlich wirst du daran teilhaben können. Das Forum ist fester Bestandteil aller Kopfblätter und damit auch von jenem für die vo hie, bzw. da.

    @ den Vornamensvetter: Das wirst du problemlos können, wenn auch vielleicht öfter im Netz als auf Papier.

    @ beide: Herzlichen Dank für die guten Wünsche!

  2. Ich kann mich dem nur anschliessen. Ich hoffe, in Zukunft mehr von dir lesen zu können, weil ja das Forum meines Wissens in allen Kopfblättern identisch ist.

    Es freut mich, dass du diese Chance gepackt hast (die vor fünf Jahren und die jetzt) und wünsche deinem lachenden Auge viel Lust bei der Erfüllung der Wünsche und dem weinenden wenig Wehmut beim Bewahren des Liebgewonnenen.

  3. Erstens: Erfinde doch einfach einen Ersatzsatz für jenen Abgedroschenen. Ich glaube nämlich, dass du das kannst.

    Zweitens: Wünsche ich dir, dass du den Wechsel nie bereuen musst, mit anderen Worten, eine spannende, gfröite, befriedigende, kreative, erfüllende Tätigkeit in Bern.

    Drittens: Hoffe ich, dass ich als TT-Leserin auch daran teilhaben kann? (S isch drum äbe „die vo hie“ u nid die vo Bärn)

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