Warmer Entzug

 

„Hannes höcklet im Garten und hat den Frieden.“

„Hannes freut sich auf den Besuch von Remo und Beat.“

„Hannes ist in Zürich am Julieta Venegas-Konzert.“

„Hannes kocht.“

„Hannes schaut sich mit seinem Schatz in der Ikea nach neuen Möbeln um“…

…das alles und viel Spannendes mehr hätte die Welt erfahren, wenn ich noch auf Facebook wäre.

Aber am Freitag habe ich mein Konto bei dem sozialen Netzwerk deaktiviert. Ich will einmal sehen, was passiert, wenn ich mich aus dieser internetten Gemeinschaft zurückziehe.

Passiert ist bisher: Nichts.

Das Leben geht weiter. Und zwar für mich – und für meine rund 150 Freunde und „Freunde“, die sich im Lauf der Zeit auf meiner Facebook-Seite angesammelt haben. Was sie treiben und denken und sehen und hoffen, weiss ich jetzt nicht mehr. Wer war wo unterwegs? Wer hat was erlebt? Wer hat sich worüber gefreut und wer ist wegen wem oder was genervt? – Ich habe keine Ahnung.

Aber muss ich das alles wissen? Will ich das alles wissen?

Was ich wissen muss und will, erfahre ich sowieso. Mit jenen Leuten, die mir richtig wichtig sind, habe ich auch jenseits von Facebook Kontakt. Ich sehe sie, ich telefoniere mit ihnen, ich maile mit ihnen, ich schaue auf ihren Websites und Blogs vorbei. Alle anderen: Henu.

Und „henu“ gilt natürlich auch umgekehrt. Gestern erkundigte sich eine Frau, die ich auch im realen Leben sehr schätze, was los sei; sie könne mich auf der virtuellen Plattform nicht mehr finden. Alle anderen „Freundinnen“ und „Freunde“ haben noch gar nicht gemerkt, dass ich weg bin. Oder dann haben sies gemerkt und finden, das sei für sie nur von peripherer Bedeutung.

Wie lange ich Facebook fernbleibe? Irgendwann melde ich mich bestimmt wieder an. Bis zu jenem fernen Zeitpunkt geniesse ich das Leben ohne den „Zwang“, jeden Chabis online zu stellen und jeden Chabis anzuschauen.

Nur schon die Tatsache, dass ich gerade kurz darüber nachdenken musste, ob ich „Zwang“ in Anführungszeichen setzen soll oder nicht, zeigt mir, dass mein Entscheid richtig war – und ist.

5 Kommentare

  1. S‘ ist doch wie mit dem Abnehmen:

    Mit Mass = Genuss!

    Eine goldene Formel, welche sich auf
    o keine
    o einige
    o mehrere
    o viele
    o fast alle
    o alle
    Bedürfnisse anwenden lässt.
    (Bitte gewünschtes ankreuzen,
    o keine
    o einige
    o mehrere
    o viele
    o fast alle
    o alle
    Antworten richtig.)

  2. @ Hannes: Chantal hat vor mir mit dem Entzug begonnen. Am Freitagabend teilte sie mir – nicht via Facebook – mit, dass sie ihr Konto deaktiviert habe. Daraufhin fand ich: Oh, das mache ich jetzt auch mal.

    Deine Bilder finden wir übrigens sowieso saugut – unabhängig davon, ob wir sie auf Facebook sehen oder auf deiner Website:-))

  3. Nachbemerkung zu meinem Kommentar von vorhin: Was mir zu denken gibt ist diese Sippenhaft beim warmen Entzug. Noch letzte Woche hat eine gewisse Chantal ein Bild von mir gut gefunden und schwupps, schon ist auch sie nicht mehr vorhanden, existiert quasi gar nicht mehr.

  4. Ich habs bemerkt, bevor ich diesen Artikel gelesen habe, weil ich wissen wollte, was seit meinem Norwegen-Aufenthalt so gelaufen ist.

    Ich kannst zwar verstehen, aber ich finds auch schade. Aber du hast schon Recht: Es ist etwas ähnliches wie bei einer Sucht. Man kommt rasch in Versuchung, dann wirklich überall etwas mitzuschreiben. Ich habe mir aber angewöhnt, wirklich nur noch bei Einzelnen nachzuschauen. Wahrscheinlich sind es keine zehn Personen, mit denen ich wirklich über längere Zeit interaktiviere.

    Aber dann kommen Leute dazu, mit denen ich zeitweise Kontakt habe. Zum Beispiel habe ich viele neue internationale Kontakte in Tromsø kennengelernt, mit denen ich im Moment intensiven Austausch pflege. Das wird sich relativ rasch wieder legen, bis dann in zwei Jahren das nächste Treffen in Monaco ist und sich diese Kontakte wieder aufwärmen.

    Für mich das Praktische an Facebook ist halt, dass es mich an Dinge erinnert. Beispielsweise, dass ich noch den Eintrag im Bluesler lesen sollte. Aber ich werde mich bemühen, das auch sonst zu tun.

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