„Was hat Prag, was Burgdorf nicht hat?“

„Noch einmal: WO IST MEIN FRAUELI?!?“

„Du brauchst nicht so zu brüllen, Tess.“

„Wenn du mir nicht zuhörst. Ich habe schon zweimal gefragt.“

„Ich war in Gedanken; entschuldige bitte.“

„‚In Gedanken‘? Du? Dass ich nicht wedle.“

„Also: Was wolltest du wissen?“

„Wo mein Fraueli ist.“

„Weg. Weit weg.“

„Wo?“

„In Prag.“

„Was hat dieses Prag, was Burgdorf nicht hat?“

„Zum Beispiel hats dort viel mehr Pragerinnen und Prager als hier.“

„Was ist das, ‚Pragerinnen und Prager‘?“

„Das sind Tschechen. Die kommen im Emmental nicht soooo häufig vor.“

„Kann man die fressen?“

„Können schon. Aber dürfen nicht.“

„Warum nicht?“

„Weils verboten ist.“

„Was will sie denn in Prag, wenn sie dort nichts fressen darf?“

„Käfele, Leute gucken, bummeln, shoppen…“

„’Shoppen’?“

„Einkaufen.“

„Hundefutter?!?“

„Nein. Kleider vielleicht, oder Schuhe oder so.“

„Gibts alles in Burgdorf.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„Warum nicht?“

„Sie ist mit ihren Freundinnen in Prag.“

„Wohnen die dort?“

„Nein, sie sind von hier. Du weisst schon: Die Donnerstagsfrauen, die jeden Donnerstagabend…“

„…ach so. Die kenne ich. Manchmal nehmen sie mich mit in den Ausgang. Flotte Weibchen.“

„Das sagt man nicht, ‚Weibchen‘.“

„Immer, wenn jemand euch fragt, was ich bin, sagt ihr: ‚Ein Weibchen‘.“

„Du bist ein Hund. Da darf man ‚Weibchen‘ sagen.“

„Meist sagt ihr sowieso ‚Meite‘ zu mir. Das gefällt mir viel besser.“

„Du bist eine Meite, und was für eine.“

„Eine liebe. Und gute. Und schöne. Und feine. Und artige!“

„Genau.“

„Wau. Danke für die Komplimente!“

„Keine Ursache.“

„Kann man demfall sagen, das Fraueli sei mit ihren Donnerstagsmeiten…“

„…ja, das kann man glaub so sagen. Sie machen miteinander ein Reisli. Habens lustig zäme. Geniessen chli Quality Time. Du verstehst schon.“

„Nein.“

„Das ist, wie wenn du nach Wynigen in den Hort gehst.“

„Wann darf ich wieder nach Wynigen in den Hort?“

„Nächste Woche.“

„Warum nicht jetzt?“

„Einfach.“

„Hm.“

„Zuerst machen wir zwei uns ein paar coole Tage. Und dann wartet auch noch dein Lieblingshüeti Claudia auf dich.“

„’Cool’? Was heisst das?“

„Wir gehen an die Emme. Dort kannst du mit anderen Hundis spielen und durch den Wald rennen und Äste herumschleppen und baden…“

„Vielleicht sind Leute am Picknicken.“

„Wer weiss?“

„Ich finds immer schön, wenn Leute picknicken“.

„Ich kann mir gut vorstellen, wieso.“

„Das sieht immer so gemütlich aus: Männer und Frauen und Kinder sitzen um ein Feuerchen herum, reden, lachen…“

„…als ob das für dich wichtig wäre….“

„…haben viel Fleisch bei sich, und manchmal auch Früchte…“

„Das gehört aber den Menschen.“

„‚Mi Wurst es tu Wurst’, sagt der Mexikaner.“

„Bist du sicher?“

„Klar. Wann ist die Chefin wieder da?“

„Am Montagabend kommt sie zurück.“

„Ganz sicher?“

„Ganz sicher.“

„Nur einmal angenommen, sie käme erst am Dienstagmorgen: Wüsstest du, wo man Futter für mich kaufen kann?“

„Natürlich.“

„Ich höre…“

„….also gut: Im Hort, bei deinem Freund Hori, dem Metzger, bei Ueli, deinem Züchter, in der Landi, im Coop, im „Fressnapf“, bei Qualipet… “

„…sehr gut. Aber schreibs dir sicherheithalber trotzdem noch auf. Gibts in Prag Fleisch?“

„Logisch.“

„Vielleicht ist die Chefin deshalb dort, wägem Fleisch.“

„Nach Prag fliegt man wegen anderen Sachen.“

„Zum Beispiel?“

„Dem Fluss. Den Brücken. Den schöne, alten Häusern. Den netten Beizchen. Dem Schloss…“

„…eben: Prag ist tupfgenau das gleiche wie Burgdorf, nur mit mehr Tschechen.“

„Richtig.“

„Dann hätte sie geradesogut bei uns bleiben können.“

„Stimmt.“

„Dann wärst du nicht so einsam und traurig.“

„Ich mag es unserem Fraueli von Herzen gönnen, dass sie jetzt für ein paar Tage weg vom Züüg kommt und sich entspannen kann. Ich bin nicht traurig. Und ich fühle mich auch nicht einsam.“

„Wieso redest du dann die ganze Zeit mit deinem Hund?“

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