Wetten, dass es nicht nur Markus‘ Lanzleuten bald langweilig wird?

Nichts – nicht einmal die „historische Pleite“ der FC Bayern-Reserven gegen Augsburg – versetzt die Gemüter der Deutschen in Playa del Inglés gegenwärtig mehr in Wallung als das seit gestern Abend absehbare Ende von „Wetten, dass…“.

Ob in der Schlange am Zmorgebuffet, auf den Hockern in der Bar oder auf den Liegen am Pool: Überall ist der nun endgültig besiegelte Untergang des einstigen Flaggschiffs der Fernsehunterhaltung das Thema.

Erfreut klingende Stimmen sind kaum zu vernehmen, ganz im Gegenteil: Zäntume wird das Aus bedauert.

Die Leute hier sagen

„ein bisschen Zeit hättense dem Lanz schon geben dürfen“

oder

„dass der kein zweiter Gottschalk ist, wusste man ja schon vorher“

oder einfach nur

„schade“.

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Das mag einerseits daran liegen, dass der Altersdurchschnitt der Touristen, die Playa del Inglés in diesen Tagen bevölkern, plusminus 50 Jahre betragen dürfte. Diese Leute legen einen gewissen Wert auf Kontinuität.

Das gemeinsame Mörderraten am „Tatort“ ist für sie ebenso ein Ritual wie die Zeitungslektüre vor dem Gang zur Arbeit oder die Paarung am Sonntagmorgen um halb Zehn.

Für manche von ihnen zählt die regelmässig in ihren Wohnzimmern auftauchende TV-Prominenz zum erweiterten Familienkreis. Dazu gehört selbstverständlich auch Markus Lanz, der vierte und letzte Moderator von „Wetten, dass…“.

Unzählige Menschen haben den vielgescholtenen und „stahlbetonlockerlässigen“ 45-Jährigen genauso bereitwillig „adoptiert“ wie schon dessen Vorgänger Frank Elstner, Thomas Gottschalk und viele weitere „Schätzchen“ und „Schwiegermutterträume“ aus anderen Showsparten, deren Biografien und Geheimnisse sie dank der Hofberichterstatter der „Gala“ und der „Bunten“ und der „Freizeit Revue“ in- und auswendig zu kennen glauben.

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Nun wird der „Charming-Boy, den man nachmittags gerne zu Kaffee und Kuchen“ einladen würde, zumindest teilweise vom Bildschirm verschwinden (als Talkmaster bleibt er seinem Fanclub erhalten, obwohl er auch in dieser Funktion alles andere als unumstritten ist, nachdem er ein Gespräch mit der „Linke“-Vorzeigefrau Sarah Wagenknecht zu einem hochnotpeinlichen Verhör ausarten liess).

Einen solch massiven Eingriff in ihre Lebensgewohnheiten empfinden nicht nur Wochenaufenthalter auf den Kanaren als persönlichen Affront.

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„Wetten dass…“: Das ist für sie eine heile Welt mit Pop- und Filmstars aus England und Amerika oder, falls die gerade keine Zeit oder nichts zu verkaufen haben, wenigstens Iris Berben und Peter Maffay.

Das ist für sie Musik, die man vom Radio her kennt, und nicht so Krawallkram wie beim Bohlen, der immer nur pubertierende Verhaltensauffällige demütigt, oder hochgeistiges Zeugs wie diese Literatursendungen auf Arte, bei denen niemand nachkommt.

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Dazu kommt (vermutlich): Wer „Wetten, dass…“ schätzt, ist altersbedingt abgeklärt genug, um die Kübel voller Häme, die primär Onlinemedien oft und gerne über Lanz ausschütten, zu übersehen.

Was schlechtrasierte und dauerbekiffte Kretins unbelastet von jedem Promifachwissen im Internet absondern, ist für den kommunen Wettendasser vernachlässigbar, solange die bunten Blätter sauber recherchierte Homestories über seine Idole publizieren.

Die noch verbliebenen „Wetten, dass…“-Zuschauer interessiert nur sehr peripher, ob die einst grösste „Samstagabendkiste“ Europas im Laufe der Zeit (und nicht erst unter Markus Lanz) zu einer längstfädigen Dauerwerbesendung mutierte, in der ein Gast nach dem anderen seine neue CD oder ihren neuen Film anpreisen durfte, oder ob der Tätschmeister seinen vertraglich aufs Sofa gefesselten Berühmtheiten Fragen zum Sinn des Lebens stellt.

„Wetten dass…“-Zuschauer wollen zwei, drei Stunden lang von ihrem Alltag abgelenkt und unterhalten werden; nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Diese Zerstreuung wird ihnen ab Mitte Dezember fehlen. Ein adäquater Ersatz ist weit und breit nicht in Sicht.

Unzählige Gewohnheitstiere aus Deutschland (und mit ihnen auch „unsere zugeschalteten Zuschauer aus Österreich und der Schweiz“) stehen deshalb eher früher als später vor einem existenziellen Problem:

Was zum Teufel sollen wir an jenen sechs oder sieben Samstagabenden im Jahr machen, an denen kein „Wetten, dass…“ läuft?

(Nachtrag: Ja – Markus Lanz ist gebürtiger Südtiroler und italienischer Staatsbürger. So betrachtet, ist das mit den „Lanzleuten“ im Titel dieses Beitrags nur bedingt richtig. Aber ich lasse mir ein Wortspiel sicher nicht durch Fakten kaputtmachen.)

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