Auf der Homeoffinsel (49)

Dienstag, 30. März 2021, 6.15 Uhr

Das Wetter auf den Kanaren nimmt kein Ende: in der Nacht auf heute Regen, gestern kurze Hosen und Tiischi, vorgestern Hoodie und Jeans, letzte Woche knapp 30 Grad, dann der grosse Sturm – wo kommt das nur her, wo führt das nur hin?

Und damit sind wir auch schon beim Thema: Ostern steht für die mehrheitlich katholischen Menschen auf Gran Canaria nicht nur im religiösen Sinn für die Auferstehung, sondern auch im wirtschaftlichen. Seit mit dem legendenumwobenen „Santa Catalina“ 1890 das erste Hotel auf der Insel eröffnet wurde, beginnt um diese Zeit die Hauptsaison des Fremdenverkehrs.

Aber

then came the churches,
then came the schools,
then came the lawyers,
then came the rules.

(Nein, das ist aus „Telegraph Road“ von den Dire Straits.

Also, nochmal):

Aber

then came the virus,
then came the rules,
then came the lockdowns,
then came the fools

und zagg – wars mit dem Feriengeschäft, von dem auf Gran Canaria 80 Prozent der Einheimischen leben, vorbei.

In den letzten Wochen wünschten sich die Leute hier nichts sehnlicher, als dass die Menschen aus Deutschland, Holland, Grossbritannien oder Skandinavien die Gelegenheit bekommen würden, zwischen Gründonnerstag und Ostermontag wenigstens eine kurze Pause bei ihnen einlegen zu können, auf dass endlich wieder einmal Geld in ihre leeren Kassen fliessen möge.

Ihre Hoffnungen schienen sich zu erfüllen: Als „Berlin“ die innerdeutsche Grenze nach Mallorca öffnete, glaubten sie ein paar Tage lang, ihr stummes Flehen sei erhört worden.

Aber nada: was ausserhalb der Küste von Malle liegt, betrachten die Verantwortlichen der touristischen Hauptexportnationen weiterhin als Seuchengebiet.

Leer bleiben die Unterkünfte auf Gran Canaria über die Feier(?)tage trotzdem nicht: Playa del Inglés, Maspalomas, Las Palmas, Mogán und Puerto Rico erwarten stündlich die Invasion einer unüberschaubar grossen Horde Spanierinnen und Spanier vom Festland.

„Bei diesen Gästen handelt es sich um junges Partyvolk, das für sowenig Geld wie möglich soviel Spass wie möglich haben will“, sagt der Chef meiner Unterkunft. „Die Nachhaltigkeit dieser Buchungen ist für uns gleich null. Aber wir müssen jetzt nehmen, was kommt“, fügt er beinahe entschuldigend an.

Jenem Teil der „normalen“ Klientel, ders nicht (oder nicht mehr) so damit hat, zu allem entschlossenen Halbwüchsigen dabei zuzuschauen, wie sie neben dem Pool voll und völler werden, obwohl sie sich im Pool regelmässig entleeren, empfiehlt er, sich für ein paar Tage in eine Pension in den Bergen zu verziehen.

Das riet mir auch eine Freundin aus der Schweiz, die sich auf dem Eiland (wann wäre es angebrachter, diesen schönen, alten Begriff aus der Mottenkiste zu holen, als an Ostern?) bestens auskennt.

Die Sache ist nur: derlei Fluchtgedanken haben viele. Die professionellen und privaten Anbieter abseits der Zentren vermieten ihre Zimmer für die kommenden fünf Nächte deshalb zu Tarifen, die anderswo für drei Wochen Ferien gelten; all inclusive inbegriffen.

Aus ökol önol ökum wirtschaftlichen Erwägungen bleibe ich also hier. Ich miete ein Velo und kurve jeden Tag kreuz und quer durch die Gegend. Falls mein Plan aufgeht, falle ich am Abend jeweils in einen komaähnlichen Tiefschlaf, während die Festivitäten zwölf Stockwerke weiter unten ihren torkelnden Gang nehmen.

Weiter gönne ich mir über Ostern eine digitale „Entgiftung“: bis am Dienstag stelle ich mein Internet ab. Das Risiko, etwas bahn-, beziehungsweise wellenbrechend Neues zu verpassen, scheint mir nach allem, was ich in den letzten Wochen mitbekommen habe, mühelos tragbar zu sein.

1 Kommentar

  1. Dann, lieber Hannes, wünsche ich Dir schon jetzt fröhlich bestrampelte Ostertage und komatöse Nächte.
    Sei herzlich gegrüsst
    Pesche

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.