Auf der Homeoffinsel (50)

Dienstag, 6. April 2021, 5.30 Uhr

Zwei der fägigsten Wochenenden meines Lebens verbrachte ich inmitten von Zigzehntausenden von Menschen. Das eine war das „Out in the Green“-Openair in Frauenfeld 1991 (mit zum Beispiel Foreigner, Toto sowie meinem Brüetsch und seinem besten Freund).

Beim anderen handelte es sich um das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2013 in Burgdorf (mit zum Beispiel Matthias Sempach, Christian Stucki sowie meinem Brüetsch und seinem besten Freund).

An solchen Veranstaltungen wäre es mir heute nicht mehr geheuer. Besonders über Ostern, als 150 feierfreudige Spanierinnen und Spanier mein Hotel bis unters Dach besetzten (weil Sicherheitspersonal durch die Anlage patrouillierte, bisleten alle in den Pool statt an die Palmen, worauf der Alkoholprozentegehalt des Wassers in den Brennspritbereich schnellte. Wenn auch nur ein Gast trotz Rauchverbots einen Joint angezündet hätte, würde ich diese Zeilen auf qualmenden Trümmern, zwischen denen zombieartige Gestalten wehklagend nach Angehörigen suchen, mit notdürftig bandagierten Händen in den angekokelten Laptop auf den Stümpfen meiner Oberschenkel tippen) merkte ich: je weniger Leute um mich herum sind, desto besser.

Was sich Herbert Grönemeyer 1984 in einem Frühit fragte, nimmt 37 Jahre später auch mich wunder: Was ist nur los? Was ist passiert? Habe ich das Social Distancing schon dermassen verinnerlicht, dass ich Personengruppen egal welcher Grösse als unbehaglich empfinde?

Wenn ja: Geht das auch anderen so?

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Stammleserinnen und -leser erinnern sich vielleicht: Vor einigen Wochen erstand ich im Laden eines überaus geschäftstüchtigen Inders ärmellose Shirts. Nun stattete ich ihm, um 25 Kilo erleichtert, einen zweiten Besuch ab, um meine Büro- und Freizeitgarderobe den veränderten Begebenheiten anzupassen.

Eine Stunde, nachdem ich sein Geschäft betreten hatte, verliess ich es mit einem halben Dutzend Tiischis, zwei Paar kurzen und einem Paar langen Jeans, einer todschicken Badehose, einem Gürtel, eigentlich gar nicht benötigten Flip-Flops, einem Duschgel plus einem Satz Turnschuhbändel. Eine Tube Ayurvedasalbe und ein Nackenkissen gabs gratis dazu.

Wir hattens richtig zufrieden miteinander, der Verkäufer und ich. Er weihte mich umfassendst in sein grosses Geheimnis ein (Ende Jahr baut er den Shop mit seinen Brodas und Sistas zu einem Supermarkt um), ich machte ihn mit der Schweiz im Allgemeinen und meinem Bisnis im Besonderen vertraut.

Wie mein neuer Freund heisst, weiss ich allerdings immer noch nicht.

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Der Start in die Minigolfsaison 2021 verlief am Freitag…wie soll ich sagen?…immerhin hats nicht geregnet. Ungemähter Kunstrasen, Banden wie Pipelines, ein Schläger, der ähnlich verbogen war wie die Luftgewehrläufe in den Schiessbuden und dazu ein Chärtli, auf dem die Anzahl Versuche in spanischen Zahlen notiert werden muss: Das war kein Spiel und kein Spass.

Das war, pünktlich zu Ostern, eine Lektion in Demut.

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(Bild: pd)

Leider hängte „Der Bergdoktor“ sein Städt Steht Stereo Arbeitsgerät genau dann an die Wand seines Wartezimmers, als ich zu erahnen begann, wo der rote Faden, der die Handlung zusammenhält, versteckt sein könnte.

Zwei Wochen lang zappte ich mich daraufhin plan- und haltlos durch das abendliche Fernsehprogramm, doch dank einer mit allen televisionären Wassern gewaschenen Freundin entdeckte ich kurz vor dem intellektuellen Verhungern eine höchst bekömmliche alternative geistige Vollwertkost: in der „Praxis mit Meerblick“ auf Rügen.

Das Gebotene entsprach meinen Hoffnungen rundum: kompetente Belegschaft, sympathische Patienten, wunderschöne Gegend – ich fühlte mich bei Dr. Nora Kaminski und ihrem Team fast regionalspitalemmentalhaft gut aufgehoben.

Nur: Kaum war die Episode zu happy Ende, teilte mir die Frau, die mich gerade für die Serie angefixt hatte, waseliwas mit? Dass das offenbar das Finale der Staffel gewesen sei.

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Aufgrund sich häufender Nachfragen: Mein Bedürfnis, nach Burgdorf zurückzukehren, ist auch nach gut zwei Monaten auf Gran Canaria nicht sonderlich ausgeprägt. Trotzdem zügle ich Anfang Mai wieder in mein eigentliches Homeoffice, denn bei der Aktion „Bike to work“ will ich unbedingt mit von der Partie sein.

Zu behaupten, dass mir hier nichts und niemand fehlt, wäre sowieso leicht übertrieben. Vor allem ein weibliches Wesen vermisse ich schwer. Wenn ich diese Depesche richtig interpretiere, beruht das sogar auf Gegenseitigkeit:

Deshalb, zum Abschluss (oder als Gudi) – zehn tolle Songs zum Thema „Hund“:

Gendermässig comme il faut gibts auch einen Klassiker für Katzenhalterinnen und halter…

…sowie eine Riesenperle für Fisch- und Vogelfreundinnen und -freunde:

2 Kommentare

  1. „Habe ich das Social Distancing schon dermassen verinnerlicht, dass ich Personengruppen egal welcher Grösse als unbehaglich empfinde? Wenn ja: Geht das auch anderen so?“

    Ja. Ja! ABER: Ich führe noch diese Woche 25 SiebtklässlerInnen durch Burgdorf, es ist der Abschluss ihrer Projektwoche zum Thema Beruf. Und weil ich für Schulen nur ein bisschen weniger als ehrenamtlich arbeite und mich dennoch oder gerade deshalb wahnsinnig auf meine allererste Tour dieses Jahres freue, werde ich – selbstverständlich maskiert – alle Bedenken über den Schlosshoger schmeissen.

    Ich bin Impfgruppe M, das dürfte dauern. Vorher organisiere ich einen Gruppenanlass, wie das jede Lehrerin, jeder Lehrer täglich machen muss. Einfach, damit ein paar Kinder lernen dürfen, lachen, sich bewegen. Und auch, damit sich in Burgdorf etwas bewegt. Denn es ist still geworden in den Gassen der Oberstadt…

    Idämsinn: am Wochenende würde ich dann gern mit dir tauschen, herzlich pfüeti…

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