Vor und hinter Dugong

In den Minuten, in denen ich das hier auf einer Motel-Veranda im Grünen schreibe, erwacht gerade ein neuer Tag. In den Bäumen zwitschern und keckern unzählige unsichtbare Vögel. Die Luft riecht süsslich, als ob in den Nähe ein riesiges Honigfass umgekippt wäre. Hinter der Anlage weckt ein Trucker sein Monster. 

Auf dem Weg in den Norden brausten wir gestern durch atemberaubend schöne Gegenden voller Seen, Tümpel, Hügel und Wälder. In einem ziemlich sehr abgelegenen Ort namens Dugong legten wir einen Zwischenhalt ein. Dugong muss man vorstellen wie eine dieser Städte aus den Wlldwestfilmen, auf deren Hauptstrasse sich ständig zwei übelgelaunte Männer mit den Händen an den Revolverhalftern gegenüberstehen, während Staubkugeln durch die gottverlassenen Gassen rollen und vor der einzigen Bar ein zerfurchter Alter seine letzte Luft in die zerbeulte Mundharmonika bläst. In der Apotheke von Dugong erhielt ich nicht nur ein Deo und Rasierklingen; ein Lächeln mehr, und die mittelalterliche Chefin mit ihren roten Pfuusbacken hätte sich selber mit eingepackt.

Ohne die desperate businesswive auf dem Rücksitz, aber mit Bruce Hornsby und Eric Clapton in den Ohren, fuhren wir auf holprigen Landstrassen und auf dem Pacific Highway weiter. Eine unserer Hauptbeschäftigungen unterwegs ist das Öffnen und Schliessen der Autofenster. Denn das Wetter hier ist ein Fall für sich: Stundenlang ist es sonnig oder leicht bedeckt…und dann, wie aus dem Nichts, beginnt es zu regnen. Aber nass wird man nie, oder jedenfalls nicht richtig: das Wasser scheint zu verdunsten, bevor es den Boden berührt. Nur: Wenns dann einmal richtig schifft, stehen gleich ganze Landstriche unter Wasser. Gestern zum Beispiel wurde das Gebiet um Waga-Waga geflutet. Das liegt auf der Landkarte ganz in der Nähe. Doch „Nähe“ ist in Australien ein sehr relativer Begriff: zwischen uns und Waga-Waga liegen zig Hunderte von Kilometern. Also: don’t worry, drive on.   

Im Tierpark von Billabong streichelten wir den Koala, der an diesem Tag Touristendienst hatte. Er erledigte seinen Job mit der diesen Schnügeln eigenen Gleichmut, war aber trotzdem ganz froh, als er nach fünf Minuten schon Feierabend hatte und sich auf seinen Eukalyptusbaum verziehen konnte, weil sich die meisten Leute lieber mit mir fotografieren lassen wollten. Als mich all die Japaner und Amerikaner fertig gestreichelt hstten, fütterten wir Kängurus und einen Strauss. Weiter gesehen: zwei Dingos, einen Wombat, Echsen, Kröten, allerlei Fische und eine Taipan, die allerallergiftigste Schlange der Welt. 

Gegen Abend checkten wir im „Motor Inn“ vor Kempsey ein. Der ebenso freundliche wie redselige Besitzer sagte, er habe einen sagenhaft guten Koch, nur sei der leider vor ein paar Stunden schwer verunfallt, weshalb die Küche geschlossen sei.  
   

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