Nach all den Jahren

Vor 60 Jahren spielten sie das letzte Mal zusammen. Nun gingen Taj Mahal und Ry Cooder wieder miteinander ins Studio – das praktischerweise Cooders Sohn Joachim in seiner Wohnung eingerichtet hatte – , um das Werk von Sonny Terry und Brownie McGhee zu würdigen. Heraus kam ein Album, das hinten und vorne nicht in unsere Zeit passt – und gerade deshalb ungeheuer viel Freude bereitet:

Schrott zum Mitnehmen

Kaputtes Spielzeug, defekte Möbel, zerfledderte Bücher, durchgetretene Skateboards oder ausgeschaubte DVD’s: Ein Kiesplatz in unserem Quartier wird von Anwohnerinnen und Anwohnern regelmässig als Sperrgutdeponie zweckentfremdet. Vieles ist mit „Gratis“ beschriftet und anderes mit „Zum Mitnehmen“. Manches steht einfach so da, nicht selten tagelang.

Pünktlich zu Ostern wurden wir nun mit einer besonders grossen Überraschung bedacht:

Flüchtlingshilfe mit Fragezeichen

Millionen von Franken, Tonnen von Kleidern und Spielsachen, Quadratkilometer von Wohnraum: Um Kriegsopfern in und aus der Ukraine zu helfen, scheuen zahllose Schweizerinnen und Schweizer weder Kosten noch Mühen.

Das sollte in einem der reichsten Länder auf dem Globus als selbstverständlich vorausgesetzt werden dürfen, ist es aber nicht: Wer sich an die mitleids- und würdelosen Diskussionen erinnert, die während der „Flüchtlingskrise“ 2015 geführt worden waren – damals strömten vor allem Menschen aus Syrien, Somalia, Eritrea und Afghanistan nach Europa – stellt fest, dass es offenkundig verschiedene Klassen von Vertriebenen gibt: geduldete und willkommengeheissene.

Diese Differenzierung bekommen auch die Flüchtlinge zu spüren, die seit 2020 in der Siedlung „Uferweg“ in Burgdorf lebten: Sie werden nun „fortlaufend in andere Regelstrukturen des Kantons platziert, damit die Unterkunftsplätze für Schutzsuchende aus der Ukraine zur Verfügung stehen“, wie es in einer Mitteilung des Kantons heisst.

Um die Betreuung kümmert sich soll sich die ORS Service AG kümmern. Zweifel daran, dass sie für diese Aufgabe qualifiziert ist, sind erlaubt.

Die stetig wachsende Gruppe der Helfenden lässt sich ebenfalls in zwei Lager unterteilen: Die meisten wirken im Stillen. Sie telefonieren und organisieren, füllen Formulare aus, zeigen ihren Gästen die Läden, Spielplätze und Poststellen in der Gegend, holen für sie Schulbücher vom Estrich, fahren mit ihnen in die Brocki, stocken die Kühlschränke immer wieder bis zum Anschlag auf und denken keine Sekunde daran, ihre Aktivitäten im Schaufenster der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Andere halten ihr Umfeld nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ fast rund um die Uhr via Instagram, Twitter oder Facebook und mit Newslettern über ihre Engagements auf dem Laufenden. Dagegen ist gemäss Andy Warhol nichts einzuwenden, nur: Die Selbstgefällig- und -rechtigkeit, die einige von ihnen dabei an den Tag legen, erachte ich – um es mit der gebotenen Zurückhaltung auszudrücken – als zunehmend bemühend.

Es kann nunmal nicht jede und jeder 5000 Franken für die Glückskette aus dem Ärmel schütteln. Es verfügen nicht alle über halbleerstehende Häuser. Nicht wenige Schweizerinnen und Schweizer hätten zweifellos die räumlichen, zeitlichen und finanziellen Kapazitäten, um Flüchtlinge zu beherbergen, ahnen aber, dass ad hoc-Wohngemeinschaften mit seelisch zum Teil schwerstverwundeten Menschen irgendwann zu einer Belastungsprobe für alle Beteiligten werden können.

Die Tücken der Instant-Solidarität schildert Miriam Behrens, die Chefin der Schweizer Flüchtlingshilfe, in einem leider kostenpflichtigen Interview mit der BZ. Nebst anderem sagt sie:

Falls jemand sich fragen sollte, ob er oder sie gerade richtig gelesen habe: Doch, doch – Behrens sagte tatsächlich, „es gibt Gastfamilien, die sich mehr Dankbarkeit wünschen“.

Offen bleibt, ob sie diese Dankbarkeit von den Menschen erwarten, die sie frei von Eigeninteressen zu unterstützen vorgeben.

Oder von den Leuten, denen sie Tag für Tag unter die Nase reiben, was für vorbildliche Mitbürgerinnen und Mitbürger sie doch sind.

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Nachtrag 27. Juni: Nicht völlig unerwartet sorgt die Firma ORS Service AG auch in Burgdorf für Schlagzeilen.

Voll fehrtippt

Von einem „Kopf an Kopf-Rennen“ sprach der vielbemühte „Politanalyst“ Mark Balsiger vor den Berner Regierungsratswahlen, als er auf Tele Bilingue gefragt wurde, wer die besseren Chancen habe: Astrid Bärtschi (Mitte) oder Erich Fehr (SP).

Bärtschi machte dann 22 000 Stimmen mehr als ihr Mitbewerber.

Für den Experten lag die Erklärung für die haushohe Niederlage des Bieler Stadtpräsidenten auf der Hand: