Gesagt ist gesagt

„Gut, Herr Hofstetter: Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Das kann ich nicht sagen.“

„Wieso sind Sie dann hier?“

„Eben, darum. Weil ichs nicht sagen kann.“

„Hm. Was können Sie nicht sagen?“

„Wenn ich das jetzt sage, habe ichs gesagt. Aber genau das kann ich ja nicht machen: Es sagen.“

„Mir können Sies ja sagen. Ich sags nicht weiter.“

„Das sagen Sie.“

„Das sage ich. Richtig.“

„Eben.“

„…“

„…“

„Sehen Sie: Sie haben mich angerufen, weil Sie unbedingt mit mir reden wollten. Jetzt sind Sie hier…und wollen nicht reden. Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich das nicht ganz verstehen kann – können Sie das verstehen?“

„Natürlich.“

„Also…“

„Was, also?“

„Wollen Sie mir jetzt nicht sagen, wieso Sies nicht sagen?“

„Wollen schon, aber nicht können. Es ist ein bisschen wie bei den Eunuchen, höhöhö.“

„Das ist der mit Abstand beste Witz, den ich je gehört habe. Eunuchen! Ich lach mich kaputt.“

„Sagen Sie mal…“

„…nein: Sagen Sie. Erzählen Sie einfach, was…“

„…wenn Sie sagen, dass Sie es nicht weitersagen, und ich sage es Ihnen, und Sie sagens trotzdem weiter: Was ist dann?“

„Ich sags nicht weiter. Ich sage nie etwas weiter. Ich behalte sogar den Witz mit den Eunuchen für mich.“

„Gut. Aber wenns Sies weitersagen, weil Sie zum Beispiel ganz wüst gefoltert werden würden, wenn Sies nicht sagen?“

„Folter wäre etwas anderes. Aber ich glaube nicht…“

„Sehen Sie. Sie würdens weitersagen.“

„Ich kann Ihnen nur sagen…“

„Reden Sie im Schlaf?“

„Manchmal. Selten. Eigentlich nie.“

„Dann fassen wir kurz zusammen: Sie versprechen mir, nichts weiterzusagen. Dann sage ichs Ihnen – und kaum werden Sie gefoltert oder sind Sie im Bett, sagen Sies weiter. Spitze, wirklich.“

„Ich…“

„Was?“

„…vielleicht können Sie mir ja ganz allgemein sagen, worum es geht; so grundsätzlich. Dann können wir immer noch überlegen, ob Sie mir alles sagen wollen oder lieber doch nicht.“

„Gut. Aber nur unter der Bedingung, dass Sie auch das Grundsätzliche niemandem weitersagen.“

„Selbstverständlich.“

„Auch nicht unter Folter.“

„Auch nicht unter Folter. Hören Sie…“

„Und zum Schlafen ziehen Sie so eine Maske an, wie sie die Schnarcher haben.“

„Das muss ich zuerst mit meiner Frau…“

„Entweder schlafen Sie ab sofort mit Maske – oder ich sage kein Wort.“

„Ist ja gut, ist ja gut. Sobald wir hier fertig sind, kaufe ich eine Maske.“

„Ehrlich?“

„Wenn ichs doch sage.“

„Wie soll ich kontrollieren, ob Sie tatsächlich eine Maske gekauft haben? Und ob Sie sie jede Nacht tragen?“

„Sie können von mir aus jeden Morgen meine Frau anrufen und sie fragen. Sie wird sich darüber ganz bestimmt freuen.“

„Ich tus.“

„Fühlen Sie sich frei.“

„…“

„…“

„Es geht um etwas Persönliches. Etwas sehr, sehr Persönliches, wenn mans genau nimmt.“

„…komisch: Das habe ich mir beinahe gedacht…“

„…wer soll jetzt reden? Sie oder ich?“

„Sie natürlich.“

„Eben. Also. Wie gesagt: Es ist ein kleines Geheimnis. Oder ein grosses, je nachdem.“

„Wenn ich dazu kurz etwas sagen darf: Das ist doch schön – nehme ich jedenfalls an“

„Ja, natürlich ist das schön. Es ist sogar wunderschön.“

„Wo liegt denn das Problem?“

„Das Problem liegt darin, dass ich jemandem versprochen habe, es niemandem weiterzusagen. Oder jedenfalls so gut wie niemandem.“

„Wieso?“

„Wieso? Weil es das Geheimnis erst seit Kurzem gibt und weil…einfach so halt.“

„Ich verstehe nicht ganz.“

„Es ist wie bei Einstein. Als der seine Relativitätstheorie fertig erfunden hatte, wollte er das todsicher auch sofort der ganzen Welt erzählen. Trotzdem ist er sicher nicht gleich von seiner Wandtafel weg auf die Strasse gerannt, um ‚Heureka!‘ zu rufen und jeden zu umarmen, der ihm über den Weg lief.“

„Stimmt. Das mit dem Heureka war jemand anders.“

„Sie wissen, was ich meine.“

„Aber natürlich.“

„…“

„…“

„Es geht ums Prinzip.“

„Ich verstehe.“

„Wie lange haben wir noch?“

„Moment…vier Minuten.“

„Vier Minuten? Das ist zu knapp.“

„Sie dürfen gerne wiederkommen, in einer Woche oder so. Wies Ihnen am besten passt. Sie können auch den Mann oder die Frau, dem oder der sie versprochen haben, nichts zu sagen, mitnehmen. Dann können Sies mir vielleicht miteinander sagen.“

„Gehts noch? Zuerst sage ich der Person, mit der ich das Geheimnis teile, dass ich nichts sage. Dann gehe ich, weils mich fast vertätscht vor Freude, zu Ihnen, ums wenigstens Ihnen zu sagen, ohne dieser Person zu sagen, dass ichs Ihnen sage. Und am Ende gehe ich wieder zu dieser Person und sage ihr, dass ichs Ihnen gesagt habe. Sie müssen mich für ziemlich blöd halten.“

„Das haben Sie gesagt.“

„…“

„…“

Hut ab – vor beiden

Wenn Ritschi mit seinem Heiweh nach de Bärge „Blowin ‚in the wind“ singen oder Bring en hei-Baschi „Like a rolling stone“ intonieren würde: Der Tatbestand der musikalischen Vergewaltigung wäre erfüllt. Bob Dylan und Mundartpopper – das kann nicht gut gehen. Da liegen nur schon von der Lebenserfahrung her zuviele Welten dazwischen. Und wo für die einen die musikalischen Grenzen früh gezogen sind, fängt der andere erst an, darüber nachzudenken, ein Lied zu schreiben.

Vermutlich gibt es in der Schweiz nur zwei oder drei Musiker, die es wagen können, Songs von Bob Dylan zu adaptieren, ohne zum Vornherein zum peinlich anmutenden Scheitern verurteilt zu sein: Polo Hofer, Kuno Lauener und Hank Shizzoe.

Hofer hat es nun gewagt. Pünktlich zum 70. Geburtstag des grossen Meisters legt er das Doppelalbum „Polo Hofer singt Bob Dylan“ vor. Heute Freitag ist es erschienen.

Jedem Song ist anzuhören, dass sich Hofer seit Jahrzehnten intensiv mit dem Schaffen des längst zum Jesus mit Gitarre und Mundharmonika verklärten Folksängers beschäftigt. Mit viel Akribie und Respekt nahm er sein Vorhaben, Dylan ein Denkmal zu setzen, in Angriff. Als es um Umsetzen des Plans ging, war für Hofer nur das Beste gut genug: Auf den zwei CDs wirken mit Hape Brüggemann, Martin Diem und Remo Kessler jene Leute mit, die es Hofer als Schmetterband ermöglicht hatten, seinen Logenplatz im Schweizer Rockhimmel eine Ewigkeit lang gegen hochdrängelnden Nachwuchs zu verteidigen. Mit im Studio waren auch Ausnahmegitarrist Mario Capitanio, die Schweizer Bluesgrösse Hank Shizzoe und Toni Vescoli.

Doch auch wenn Dylans Diamanten von Meisterhänden geschliffen wurden: Zu einer Ohrwurm-Sammlung ist „Polo Hofer singt Bob Dylan“ nicht geworden. Das liegt primär daran, dass Hofer darauf verzichtet hat, den Buchhaltern seiner Plattenfirma zuliebe einfach Dylans allergrösste Hits nachzuspielen. Und hat auch viel damit zu tun, dass Dylans Texte in Hofers Übersetzungen oft genauso veschwurbelt wirken wie im Original.

Andrerseits: Wer weiss. Vielleicht neigt man – weil sich das einfach so gehört – automatisch dazu, viel mehr in Dylans Musik zu interpretieren, als es hineinzuinterpretieren gibt. Möglicherweise wollte und will Bob Dylan – wie Hofer – nur das so leicht wirkende eine: den Menschen gute Geschichten erzählen.

„Polo Hofer singt Bob Dylan“ gehört nicht zu jenen Werken, deren Schönheit und Tiefe sich einem auf Anhieb erschliessen. Als Soundtrack zum Staubsaugen sind die zwei Scheiben ungeeignet. Trotzdem lässt sich schon nach dem ersten Durchhören sagen: Hut ab – vor Dylans unerschöpflicher Kreativität. Und vor Hofers Mut, sich mit einer Legende auseinanderzusetzen im Wissen darum, ihr immer nur „auf den Fersen“ bleiben zu können, ohne sie je einzuholen.

Beetli Heil

Eben: Chantal und ich sind unter die Gärtner gegangen.

Anfang Mai sah unser Land noch so aus:

Seither spriesst das Gemüse in atemberaubendem Tempo. In der Nacht, wenn alles still ist, kann man manchmal hören, wie die Stängel mit leisen Flutschgeräuschen immer weiter aus dem Boden dem Himmel zu wachsen. Et voilà:

Ups. Kleiner Irrtum. Dieses Beet gehört meinen Vermietern.

Unser Pflanzplätz (und damit auch jener von Nachbars Katze) ist der hier: