„Ziemlich ambitiös“, sagt mein Chef

Für die Statistiker: Splitternackt und unverpflegt wiege ich am Dienstag, 24. Mai 2011, genau 116 Kilogramm.

Das wird sich bald ändern: Nachdem ich mit meinem Schatz am Samstag das halbe Emmental mit fast all seinen Högern abgeradelt habe, ging ich heute über Mittag zum ersten Mal joggen. Nach dem anderswo bestens bewährten Motto „You never walk alone“ machte ich mich nicht alleine auf die Piste. Mein Chef Giusi, meine Arbeitskollegin Andrea und ich bilden ein Laufgrüppchen, wobei zu sagen ist, dass Giusi dabei das grösste Opfer bringt. Denn wenn er richtig auch nur halbwegs Gas geben würde, hätten Andrea und ich nicht einmal eine Chance, ihm länger als zehn Sekunden staunend nachzugucken, bevor er hinter dem Horizont verschwunden wäre.

Für meine Muskeln, die in den letzten Jahren selten zu anderem gebraucht worden sind als zum Zigarettenholen, wars schon etwas ungewohnt, sich auf einmal wieder zu bewegen. Insgesamt spulten wir am Aareufer rund fünf Kilometer ab, wobei: Grad alles joggte ich nicht. Stattdessen legte ich immer mal wieder eine Gehphase ein, wobei ich peinlichst darauf achtete, die Pace (wir Läufer reden von „Pace“, nicht von „Tempo“ oder „Geschwindigkeit“ oder so) meiner Gspändli zu halten.

Am Ende wars für mich wie nach der Flyer-Tour: Extrem befriedigend. Am Freitag nehmen wir die nächste Runde in Angriff. Zwei- bis dreimal pro Woche gehen wir miteinander joggen – ich freue mich heute schon auf jeden einzelnen Kilometer.

Ein Fernziel habe ich mir natürlich auch gesetzt, weils irgendwie wenig bringt, immer nur zu trainieren, ohne zu wissen, woraufhin. Für den Hallwilersee-Halbmarathon vom 15. Oktober bin ich bereits angemeldet. Dort warten dann 22 Kilometer auf mich und meine bis dann – sagen wir: – 90 Kilo.

Giusi nannte diese Vorgabe heute Morgen „ziemlich ambitiös“. Das ist sie. Aber ich bin sehr sicher, sie zu schaffen. Erstens merke ich selber, wie gut mir die Bewegung tut. Und zweitens hat ja auch mein Brüetsch eines schönen Tages gespürt, dass mit seinem Körper „etwas“ gehen muss. Dann lief er los…und ein Jahr später rund um den See.

Leicht zugespitzt, könnte ich also sagen: Ich brauche nur meinem Bruder hinterherzulaufen – und alles wird gut.

Nachtrag: Andrea sagt gerade, ich solle bitte nicht von mir auf andere schliessen. Wenn ich keine Chance haben würde, Giusi länger als zehn Sekunden staunend nachzugucken, wenn er Gas geben würde, heisse das noch lange nicht, dass ihm sämtliche Mitglieder unseres Grüpplis nicht nachkämen.

Vorfreuden ohne Ende

Kaum hat die Monate-, Wochen- und Tagezählerei vor der (einen?) Hochzeit des Jahres ein Happy End gefunden, tickt auch schon der nächste Countdown: Am 16. Juli spielt die beste Band der Welt in Zürich. Natürlich lässt sich das eine mit dem anderen kaum vergleichen. Aber einen gemeinsamen Nenner gibts trotzdem: Das pure Glück und eine Riesenfreude darüber, mit von der Partie zu sein.

„Häsch mer e Schtutz?“

Die Burgdorfer Schaf-Alkiszene wird zunehmend zum öffentlichen Ärgernis. Statt erst einmal das Leergut zu entsorgen, bettelt der harte Kern der Gruppe Passanten schon wieder um Geld für Nachschub an. „Häsch mer e Schtutz für Notschlafschtell?“ – Man mags nicht mehr hören.

Im Hochgebirge

Falls Gott gewollt hätte, dass ich den Plausch an stotzigen Wegen und überhängenden Geröllhalden habe, wäre ich als Pistenfahrzeug zur Welt gekommen. Nach dieser Devise bin ich körperlichen Betätigungen in der Höhe bisher aus dem Weg gegangen. Abgesehen davon erachte ich es als schlicht nicht verantwortbar, wenn Flachländer in die Lebensräume der Alpenbewohner eindringen. Die Tiere und Leute da oben sollen sich ungestört von der Zivilisisation fortpflanzen und entwickeln können. Die Indianer hätten wohl auch keine Freudentänze aufgeführt, wenn sich plötzlich Horden von Fremden in ihrem Land breitgemacht hätten.

Gestern aber…gestern aber musste ich meine Einstellung revidieren. Nicht grundsätzlich zwar, aber immerhin so, dass ich heute sagen darf: Das hat jetzt einfach tierisch gfägt.

Aus einer Laune heraus mieteten Chantal und ich nach dem Mittagessen je einen Flyer. Damit radelten wir nach Rüegsauschachen und von dort steil hoch zur Schaukäserei in Affoltern, wo wir die Akkus wechselten. Anschliessend sausten wir wieder ins Tal hinunter, nach Sumiswald und weiter nach Langnau.

Es war, trotz der kleinen Motörli, bisweilen eine elende Plackerei. Kaum hatten wir eine Steigung hinter uns, folgte die nächste Anhöhe. Es ging obsi und obsi und obsi, bis wir gut 500 Höhenmeter bewältigt hatten. Ich fragte mich mehr als einmal alle fünf Sekunden, was zum Teufel ich eigentlich hier tue und ob es amänd nicht noch andere Möglichkeiten gebe, 110 Kilo Lebendgewicht durch die Landschaft zu fugen.

Aber am Ende, nach über 42 Kilometern, als wir die Velos in Langnau zurückgaben und in den Zug nach Burgdorf stiegen, waren wir einfach nur glücklich darüber, das Ausfährtli unternommen zu haben. Endlose grüne Hügelketten, kerngesunde Wälder, kubikkilometerweise Frischluft: Andere bezahlen ein Vermögen, um das einmal geniessen zu dürfen. Wir brauchen dafür nur ein paar Stunden vor unserer Haustüre herumzufahren.

Für Hochgebirgslandschaften typische Tiere erblickten wir leider nicht; kein Steinbock stand staunend am Wegesrand, keine Gämse meckerte fröhlich Beifall, kein Murmeltier pfiff uns anerkennend hinterher. Dafür grüssten wir jede Menge Kühe und Kälber und Schafe und Geissen und winkten knapp unterhalb der Baumgrenze ermattet einem Mäusebussard zu, der über uns majestätisch seine Kreise zog.

Während sich unsere Muskeln noch von den für sie etwas überraschenden Strapazen erholen, denken Chantal und ich schon über das nächste Tüürli nach. Es gibt viele Herzrouten – und damit noch beliebig weitere Möglichkeiten, die wunderschöne Welt in der Nähe ganz neu zu entdecken.

L’heure bleue

An diesem ganz gewöhnlichen Donnerstagabend schoss Chantal auf dem Zuger Landsgemeindeplatz dieses Bild.

Wer draufklickt und sich darin versinken lässt, hat das Gefühl, er sei da. Und höre im Hintergrund Leute reden, Kinder lachen, Eiswürfel in Gläsern klimpern und in der Ferne die Wellen des Sees sanft und mit endloser Gleichgültigkeit an die Quaimauer schwappen.