Kängurus gibt es in Australien in den unterschiedlichsten Formen.
So sieht man sie allpott:
So trifft man sie seltener; und wenn, dann mit der Stossstange:
So schmecken sie am besten:
(Bilder: eins von Chantal, zwei von mir)
Er ist da draussen. Niemand kann ihn sehen. Niemand kann ihn hören. Er wartet. Er hat Zeit. Er denkt nicht in Begriffen wie „Heute“ und „Morgen“. Er denkt überhaupt nicht.
Wir sind hier drinnen, in Zimmer 7 des „Dolphin“-Motels in Byron Bay. Niemand kann uns sehen. Niemand kann uns hören. Wir warten. Wir haben Zeit. Wir denken nicht in Begriffen wie „Heute“ und „Morgen“. Wir denken überhaupt nicht.
Wenn die Wäsche trocken ist, gehen wir an den Strand. Die Luft vibriert vor Hitze. Der Asphalt glüht. Sobald wir am Meer sind, stürzen wir uns ins Wasser.
Dann teilen wir den selben Lebensraum, er und wir. Er wähnt sich mit seinem Heimvorteil auf der sicheren Seite. Für ihn sind wir ein Snack. Wir aber haben gehört: ein paar Schläge auf die Schnauze vertreiben jeden Hai.
Man kann also sagen: Wir haben die besseren Karten.
(Bild: Chantal)
In den Minuten, in denen ich das hier auf einer Motel-Veranda im Grünen schreibe, erwacht gerade ein neuer Tag. In den Bäumen zwitschern und keckern unzählige unsichtbare Vögel. Die Luft riecht süsslich, als ob in den Nähe ein riesiges Honigfass umgekippt wäre. Hinter der Anlage weckt ein Trucker sein Monster.
Auf dem Weg in den Norden brausten wir gestern durch atemberaubend schöne Gegenden voller Seen, Tümpel, Hügel und Wälder. In einem ziemlich sehr abgelegenen Ort namens Dugong legten wir einen Zwischenhalt ein. Dugong muss man vorstellen wie eine dieser Städte aus den Wlldwestfilmen, auf deren Hauptstrasse sich ständig zwei übelgelaunte Männer mit den Händen an den Revolverhalftern gegenüberstehen, während Staubkugeln durch die gottverlassenen Gassen rollen und vor der einzigen Bar ein zerfurchter Alter seine letzte Luft in die zerbeulte Mundharmonika bläst. In der Apotheke von Dugong erhielt ich nicht nur ein Deo und Rasierklingen; ein Lächeln mehr, und die mittelalterliche Chefin mit ihren roten Pfuusbacken hätte sich selber mit eingepackt.
Ohne die desperate businesswive auf dem Rücksitz, aber mit Bruce Hornsby und Eric Clapton in den Ohren, fuhren wir auf holprigen Landstrassen und auf dem Pacific Highway weiter. Eine unserer Hauptbeschäftigungen unterwegs ist das Öffnen und Schliessen der Autofenster. Denn das Wetter hier ist ein Fall für sich: Stundenlang ist es sonnig oder leicht bedeckt…und dann, wie aus dem Nichts, beginnt es zu regnen. Aber nass wird man nie, oder jedenfalls nicht richtig: das Wasser scheint zu verdunsten, bevor es den Boden berührt. Nur: Wenns dann einmal richtig schifft, stehen gleich ganze Landstriche unter Wasser. Gestern zum Beispiel wurde das Gebiet um Waga-Waga geflutet. Das liegt auf der Landkarte ganz in der Nähe. Doch „Nähe“ ist in Australien ein sehr relativer Begriff: zwischen uns und Waga-Waga liegen zig Hunderte von Kilometern. Also: don’t worry, drive on.
Im Tierpark von Billabong streichelten wir den Koala, der an diesem Tag Touristendienst hatte. Er erledigte seinen Job mit der diesen Schnügeln eigenen Gleichmut, war aber trotzdem ganz froh, als er nach fünf Minuten schon Feierabend hatte und sich auf seinen Eukalyptusbaum verziehen konnte, weil sich die meisten Leute lieber mit mir fotografieren lassen wollten. Als mich all die Japaner und Amerikaner fertig gestreichelt hstten, fütterten wir Kängurus und einen Strauss. Weiter gesehen: zwei Dingos, einen Wombat, Echsen, Kröten, allerlei Fische und eine Taipan, die allerallergiftigste Schlange der Welt.
Gegen Abend checkten wir im „Motor Inn“ vor Kempsey ein. Der ebenso freundliche wie redselige Besitzer sagte, er habe einen sagenhaft guten Koch, nur sei der leider vor ein paar Stunden schwer verunfallt, weshalb die Küche geschlossen sei.
Bevor ich das „bevor“ am Anfang dieser Zeile schrieb, war ich finster entschlossen, chli über die erste Etappe unserer Reise in den australischen Norden zu berichten. Wir wir ein Auto mieteten, ohne meinen den Pass des Kreditkarteninhabers dabeizuhaben, wie wir ungefähr zwei Stunden benötigten, um aus Sydney herauszuzirkeln und eine weitere Stunde dafür verwandten, in Newcastle ein Hotel zu finden und wie wunderbar die Aussicht von „Noah’s on the beach“ auf den Hafen jetzt, im weichen Abendlicht ist…
…aber erstens musswill ich jetzt notfallmässig unter die Dusche, zweitens knurrt mein Magen ziemlich laut nach Seafood – und drittens (oder nein: erstens) ist heute eigentlich sowieso nur etwas wirklich erwähnens- und bestaunens-, um nicht zu sagen: bewundernswert: dass und wie locker
Chantal es schaffte, sich schwuppdiwupp an die hiesigen Verkehrsgepflogenheiten (Linksverkehr und gnadenlose Lastwagenchaffeure) anzupassen.
Wir erreichten Newcastle nach knapp 200 Kilometern auf Autobahnen und Quartiersträsschen ohne das kleinste Kratzerchen in unserem dunkelblauen Japanerli. Das ist, denke ich, einen dicken Applaus wert, sehr verehrte Damen und Herren – auch wenn ihn die Beklatschte kaum hören wird, weil sie, nachdem sie den Wagen in der Garage versorgt hatte, fast auf der Stelle in einen komaähnlichen Tiefschlaf fiel.
Jetzt gehe ich sie wecken – no risk, no fun – und schreibe morgen weiter. Wenn wir mit links wieder ein paar hundert Kilometer weitergekommen sind.