Jetzt, wo die Bundesratswahlen vorbei sind und es nur noch darum geht, wer das Niveau in der Politik am Schnellsten auf unter Null gebracht hat, kann sich das Schweizer Fernsehen wieder auf die wirklich wichtigen Themen konzentrieren:
Seet mal genau hin
Bin ich eigentlich der einzige, der zwischen diesem Bild,
das die Statue von Freddie Mercury am Genfersee zeigt, und diesem Foto,
auf dem mein Brüetsch an den Gestaden eines anderen sanft ruhenden Gewässers zu sehen ist, gewisse Parallelen erkennt?
Ach so
Eine Zeitlang sah ich den Mann jeden Tag ein paar Mal. Wie er heisst und wo er wohnt, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass er bei einer sozialen Institution tätig ist und bei seiner Arbeit mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun hat. Als ich ihn auf einmal nicht mehr sah, dachte ich mir nichts weiter dabei und vergass den Mann auf der Stelle.
Gestern Abend sprach das Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen sein Urteil über einen Angeklagten, der sich wegen sexueller Nötigung, mehrfacher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und knapp 20 weiteren Delikten zu verantworten hatte. Opfer seiner Übergriffe war offenbar – von der eigentlichen Verhandlung war die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden – immer seine Ex-Freundin gewesen. Das Gericht verurteilte den Hobby-Kampfsportler, der die Frau einmal fast zu Tode gewürgt hatte, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren; statt hinter Gitter muss er in eine stationäre Therapie.
Die Richterin sagte, dass sich der Mann nun schon seit einer Weile in einer Alkoholklinik aufhalte. Da wusste ich, wieso ich ihn auf einmal nicht mehr in der Stadt gesehen hatte.
Glück in Schwarzweiss
Eilmeldung an alle, die mir zum Geburtstag am 16. Oktober ein Keyboard schenken wollten: Ich habe schon eines. Seit Neustem gibt es eine iPad-App, mit der man fast perfekt ein Klavier, einen Flügel, ein E-Piano, eine Kirchen- oder Hammondorgel plus – für die James Blunts unter uns – eine akustische Gitarre simulieren kann. Seit ich die App heruntergeladen habe, bewege ich mich in neuen Klangwelten.
Zwischen den Zeilen merkt mans vielleicht: Von diesem Wunder der Technik und Akustik bin ich – um es einmal sehr zurückhaltend auszudrücken – hin und weg und restlosestens begeistert. Mein Kibi klingt nicht nur absolut echt; es hat, wenn man weiss, wie, auch genauso viele Tasten wie seine grossen Brüder und zig Sonderfunktionen. Ein „Pedal“, zum Beispiel, einen Vibratomodus, einen Verzerrer und überhaupt alles.
Wenn ich das Gerät an die Stereoanlage anschliesse und wirklich nur ein kleines bisschen Schub gebe, wummerts schon ziemlich gewaltig im Gebälk. Ich kann damit mischen und aufnehmen und loopen und überblenden und, vermutlich, auch Eier kochen und toasten.
Falls Roll Rum, der Erfinder des Rades, in diesem Moment frustriert in seinen Steintisch beisst: mich erstaunt das nur mässig.
Und Zeit für Mitleid habe ich keine. Ich bin am Üben und Tüfteln und Hebeln und Mechen. Ziel ist es, meine Mitpassagiere auf dem Flug nach Australien mit etwas in der Art unterhalten zu können; möglichst über die voll aufgedrehten Bordlautsprecher:
Vom Weinen und vom Lachen
Wenn ich mich als Journalist mit jemandem unterhalte, der die Stelle wechselt oder pensioniert wird, sagt er eher früher als später, er gehe „mit einen lachenden und weinenden Auge“. Ich schreibe das jeweils eher contre coeur auf; der Satz ist dermassen abgedroschen und absehbar, dass ihn vermutlich kein Mensch mehr lesen mag.
Nun stehe ich selber kurz davor, vom einen Arbeitsplatz zum nächsten zu zügeln. Wenn mich jetzt jemand fragen würde, wie ich mich dabei fühle, würde ich sagen…würde ich…müsste ich…käme mir…also gut: Ich würde genau das Gleiche sagen. Nicht, weil mir nichts Gescheiteres in den Sinn kommen würde (wobei: etwas Gescheiteres kommt mir tatsächlich nicht in den Sinn), sondern, weils einfach so ist.
Heute Mittwoch habe ich meinen letzten richtigen Arbeitstag auf der BZ-Redaktion in Burgdorf. Morgen wirds wohl vor allem darum gehen, das Büro auszumisten und der Nachfolgerin so zu hinterlassen, wie ich es damals angetroffen habe: als Raum gewordene Einladung zum Schreiben und Reden und Lesen.
Fünfeinhalb Jahre war ich in der Emmestadt tätig. Zuvor hatte ich während einer einjährigen beruflichen Auszeit mein Leben in Ordnung gebracht. „Burgdorf“ war für mich mehr als ein neuer Job; „Burgdorf“ war der Wiedereinstieg in die Normalität.
Es gab in meiner ganzen Burgdorfer Zeit nicht sehr viele Tage, an denen ungern in das Büro an der Poststrasse 10 gegangen wäre. Ich hatte (hoppla: da ist sie schon, die Vergangenheitsform) hier ein Umfeld, das grössere Motivationsstörungen ausschloss. Ich konnte nach Lust und Laune Themen bearbeiten, Menschen porträtieren und Geschichten realisieren. Mit dem grössten Teil meiner Gspändli war und bin ich durch das Stationentheater und das Mitwirken an den beiden Krimi-Anthologien aus dem Emmental auch aussergeschäftlich verbunden, was dem Teamgeist ein selten gutes Zeugnis ausstellt. Wenn mich privat etwas beschäftigte, fand ich auch dann offene Ohren, wenn der Betrieb auf Hochtouren lief.
Ich genoss hier Freiheiten, von denen andere nicht einmal träumen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ins Personalbüro zitiert zu werden. Natürlich hat es zwischendurch chli ghäscheret; man kanns mit den Freiheiten auch übertreiben. Aber spätestens am Feierabend hatten sich diese Gewitter jeweils verzogen.
Falls jetzt jemand anmerkt, es sei eigentlich ziemlich widersinnig, so einen Job freiwillig aufzugeben, kann ich ihm nicht widersprechen.
Aber als mir die Chefredaktion vor zwei Monaten eine neue Aufgabe in der BZ-Zentrale in Bern anbot, musste ich mir sagen: Das ist eine dieser Chancen, die in deinem Leben nur sehr, sehr selten vor dir stehen. Wenn du sie jetzt nicht am Arm packst und festhältst, spaziert sie, verständnislos den Kopf schüttelnd, davon und schmeisst sich jemand anderem an den Hals.
Auf der relativ neuen Plattform für die Leserinnen und Leser – dem „Forum“ – werde ich noch mehr Kontakte mit allen möglichen und unmöglichen Menschen haben und mich online viel grossflächiger austoben können als bisher. Manches hat sich in diesem Ressort bereits etabliert. Anderes ist noch in der Auf- und Ausbauphase und entsprechend formbar. Kurz: Ich betrete am nächsten Montag einen grossen Spielplatz mit Spielzeug, von dem ich zum Teil schon weiss, dass es mir grossen Spass macht. Darüber hinaus liegen da viele Sachen herum, die freudig ausprobiert werden wollen. Einiges muss zuerst noch erfunden werden; auch dabei wirke ich mit.
Weinen? Lachen? Ich weiss es wirklich nicht. Was ich weiss, ist: Ich bleibe Burgdorf treu, auch wenn ich nicht mehr über die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner schreibe; ich lebe ja weiterhin in diesem wunderbaren Ort.
Und was ich inzwischen auch weiss: Leute, die sagen, sie würden mit einem lachenden und einem weinenden Auge von hier nach dort gehen, bemühen nicht nur eine Floskel. Die meinen das ernst.